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Take 2: Viernickel Wie ein zweites Zuhause, wo ihm hoffentlich so warm und so zugewandt wie zu Hause begegnet wird, wo ein Kind weiß, an wen wende ich mich, wenn ich was wissen will und wo mehr los ist, weil da sind andere Kinder, da langweile ich mich nicht, da entdecke ich etwas Neues. Sprecher vom Dienst: Qualität darf kein Glücksfall sein Take 3 Werner Eckart Eltern haben ihre Kinder jetzt und wollen, dass sie jetzt eine bessere Pädagogik bekommen, und die nächste Generation ist ihnen ziemlich gleichgültig. Sprecher vom Dienst: Über den Ausbau der Kinderkrippen in Deutschland Von Barbara Leitner Atmo 2: Malprojekt Zum Thema Wasser wollen wir Fische anmalen... Kittel anziehen, wer möchte malen ... Sprecherin: Kindertagesstätte Zeiseweg in Hamburg Altona. Atmo 3 Matthes fängt mal an... Sprecherin: In den Sommermonaten haben die Ein- bis Dreijährigen draußen mit Wasser gespielt, es mit Trichtern in Flaschen geschüttet und aufgefangen, was vom Tisch geflossen ist. Sie haben die Wolken am Himmel beobachtet, Regentropfen aus Seidenpapier gebastelt. Und sie haben Korallenriffe mit Muscheln gestaltet. Dafür wollen sie heute Fische malen. Erzieherin Christine Voss: Take 4 Erzieherin Christine Voß Ich glaub', in vielen Köpfen ist auch noch so: Mit so ganz Kleinen, was kann man denn da schon so groß machen. Ich glaube, dass viele Leute sich wundern würden, was in einer Krippe so passiert, wenn sie das mal sehen würden. Atmo 4 Welche Farbe ist das?.... Sprecherin: Während eine fast Dreijährige sehr deutliche Konturen auf ein Blatt Papier malt, lassen die etwas Jüngeren die Farben zu dunklen Flecken ineinander laufen. Eine Einjährige sitzt am Rand, panscht mit dem Wasser und betastet die Haare des Pinsels. Take 5 Erzieherin Christine Voß Kinder bilden sich selber. Wichtig ist, dass man Materialien hat, die ansprechend sind für die Kinder, dass sie viel selber ausprobieren können und dass man sie einfach lässt. Für die ist der Prozess des Machens wichtig. Ein Papier unter Wasser setzen, sich selber Wasser mit den Messbecher in den Teller schütten. Solche Sachen sind wichtig. Dabei lernen Kinder ganz viel. Atmo Take 5 Vater - Thomas Fischer Als wir beschlossen hatten, dass wir noch eine Betreuung brauchen, haben wir uns auch die Tagesmütter angeguckt. Aber war das Angebot auch eher ziemlich schwach und es war auch immer ein Haken dabei. Sprecherin: Thomas Fischer, Vater einer fast zweijährigen Tochter. Fünf, sechs Kinderbetreuungsangebote schauten er und seine Frau sich an, entschieden sich aber dagegen - zu beliebig oder zu weit entfernt. Erst mit der Kita Zeiseweg, in einem Gründerzeitviertel gelegen, von Grünflächen umringt, fanden sie den passenden Platz für ihre Tochter. Take 6 Vater - Thomas Fischer Sie ist noch allein und wir sehen halt, dass sie durch die Betreuung und wie sie sich durchsetzen muss in der Krippe, irgendwie vorankommt. Sie schnappt viel auf. Sie kriegt viel beigebracht und das ergänzt uns. So viel kriegt man gar nicht selber erklärt. Das ist das eine. Und das andere ist, wir brauchen einfach die Zeit. Wir sind beide berufstätig und ohne eine Betreuung würde das nicht gehen. Da müsste einer zurückstecken und wir haben aber das Gefühl, dass es unserer Tochter nicht schadet. Sprecherin: Wie Familie Fischer denken immer mehr Eltern. 30 Prozent wünschen und suchen für Einjährige ein Betreuungsangebot. Für Zweijährige sogar 60 Prozent - sagt die Kinderbetreuungsstudie des Deutschen Jugendinstitutes München. Manche bevorzugen dabei Tagesmütter, andere suchen Krippen nur mit Kindern unter Drei oder altersgemischte Kita-Gruppen. Doch das Angebot ist besonders im Westen quantitativ ungenügend und oft genug müssen Eltern bei der Qualität Abstriche machen. Andere europäische Länder haben bereits in den 70er Jahren ihr Betreuungssystem für die Jüngsten ausgebaut, ermöglichen den Eltern damit die Beruftätigkeit und erreichen mit dieser Orientierung auf frühe Bildung vordere Plätze bei den internationalen Schulleistungsvergleichen. Take 7 v.d. Leyen Das Kinderförderungsgesetz wird unser Land spürbar verändern. Es setzt Meilensteine für mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf, für mehr Bildung für unsere Kinder und für mehr Zukunft in unserem Land. Sprecherin: Familienministerin Ursula von der Leyen bei der Verabschiedung des Kinderförderungsgesetzes Ende September im Bundestag. Zwar sind in Deutschland längst nicht alle Vorurteile über die so genannte "Fremdbetreuung" überwunden und manch einer hält weiter an einem Bild von Familie fest, das längst für große Teile der Bevölkerung zerbrochen ist. Doch die Politik muss endlich anerkennen, was viele junge Eltern wollen und ihre Kinder brauchen. Take 8 v. d. Leyen 2013 wird jedes Kind mit Vollendung des ersten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Kita oder einer Tagespflege habe. Das ist ein Riesenerfolg. Sprecherin: Länder und Kommunen müssen nun das Betreuungsangebot in den nächsten fünf Jahren auf 750.000 Plätze erhöhen. Vier Milliarden Euro investiert der Bund in dieses Großprojekt. Das sind gut ein Drittel der notwendigen Aufbaukosten und sie werden bereits genutzt. Atmo 5: Bohren im Hintergrund, Kinder... Take 9 Werner Eckart Unser Haus profitiert von dem Krippenausbauprogramm insofern, dass wir eine größere Summe von Geld zur Verfügung gestellt bekommen für den Ausbau des Hauses für Kinder unter drei Jahren. Sprecherin: Werner Eckart, Leiter der Kita Hochkirchstraße in Berlin. Derzeit wacht er darüber, wie in seiner Kita kleine Waschbecken und Toiletten installiert werden. 17 Kinder im Alter von 10 Monaten bis zu drei Jahren werden dort betreut. Der Bedarf ist mindestens doppelt so hoch. Erzieherin Christin Karschnik entschloss sich, die Krippengruppe zu übernehmen. Ausgebildet wurde sie für diese Altersgruppe an der Fachschule kaum: Take 10 Erzieherin Christin Karschnik Es war schon mit ein Thema, aber richtig Krippenpädagogik so nicht. Klar, es gibt viele Weiterbildungsmöglichkeiten, die man nutzen könnte. Aber ich für mich würde nicht sagen, dass mir da noch ganz viel gefehlt hat und vieles ergibt sich im Alltag. Man lernt ja mit. Man lernt ja mit sich zu verändern, sich umzustellen und auch Bedürfnisse kennen zu lernen. Atmo 6: Kerze auspusten o.a. Sprecherin: Genau das ist die Einstellung, die Kenner der frühkindlichen Entwicklung auf den Plan ruft- eine gewisse Leichtfertigkeit und Geringschätzung: Es geht ja nur um kleine Kinder. Was kann man da groß falsch machen. Das kann so nebenbei erledigt werden, glauben vor allem politisch Verantwortliche. Take 11: Viernickel Ich sehe es schon kritisch. Die Qualität. Und zwar deshalb, weil es immer Teams, Träger, auch Bundesländer gibt, die es stärker von der qualitativen Seiten angehen und sich erst gut informieren und sich viele Gedanken darüber machen, wie machen wir das, wenn wir jetzt die Zweijährigen aufnehmen, damit es den Kindern gut geht, was müssen wir uns noch aneignen, wo fehlt es an räumlichen Bedingungen und das werden hochwertige Krippen werden. Und es wird natürlich auch die geben, die sagen, jetzt wird uns noch was aufgedrückt, wir müssen das leisten, mit dem Alten sind wir schon am Rande dessen, was machbar ist und da wird es eher auf einen niedrigen Niveau stagnieren. Sprecherin: Susanne Viernickel ist Professorin für Pädagogik der frühen Kindheit an der Alice- Salomon-Fachhochschule Berlin. Sie begrüßt es, dass es auch in Deutschland endlich als eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe anerkannt wird, Eltern bei der Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen. Doch zugleich befürchtet sie, dass jetzt die gleichen Fehler wie beim Ausbau der Kindergärten vor zehn Jahren zugelassen werden: unter dem Druck, bestimmte quantitative Ziele zu erreichen, wird die Qualität der Betreuung geopfert. Denn der Ausbau ist in vielen Einrichtungen ähnlich wie in der Berliner Kita eigentlich nur ein Umbau. Durch den Geburtenrückgang sind in einigen Kindergartengruppen Plätze frei. Also heißt es: Dafür nehmt ihr jetzt die Steppkes unter drei auf. Warum kann nicht eine Erzieherin, die zuvor 15 Große hatte, jetzt fünf oder sieben Kleine betreuen? Sie bekommt eine Fortbildung von zwei Tagen, dann wird sie das schon schaffen! Take 12: Viernickel Deutschland im internationalen Vergleich steht schlecht da. Wir haben schlechte Erzieherinnen-Kind-Relationen. Wir haben große Gruppengrößen und was völlig einsichtig ist, bei diesen vielen Aufgaben, verbunden mit den vielen Kindern kann man eben eine Bildungsarbeit, eine Beziehungsarbeit, die Erziehungsarbeit nur bis zu einem gewissen Punkt machen. Auch unter den jetzigen Bedingungen kann man gute Bildungs- und Erziehungsarbeit machen. Aber es geht auf Kosten und auf Schultern der Erzieherinnen. Atmo: Kita in Berlin - verschiedene Szenen Sprecherin: Freundlich und zugewandt sorgt sich Erzieherin Christin Karschnik, gemeinsam mit einer in Teilzeit beschäftigen Kollegin, um 17 Kinder. Sie singt und spielt mit ihnen, wickelt sie, wenn es angezeigt ist und tröstet diejenigen, denen der Abschied von den Eltern schwer fällt. Doch man spürt, es sind ihre persönlichen Ressourcen, die sie einbringt. Unterstützung von den Kollegen aus den Gruppen der Älteren oder aus der Küche, erhält sie mehr auf Zuruf als klar abgestimmt und mit Ruhe. Und so ist die 27-Jährige eher hin und her gerissen als ganz präsent bei jedem Kind. Das fällt auch den Eltern auf. Take 13 Mutter Petra Schnee Es gibt ganz viele Überlegungen, was man mit den Kindern zusätzlich noch machen kann. Aber auch, dass man die Kinder einzeln beobachtet. Aber zu diesen Feinheiten, sag ich jetzt mal, kommen die Erzieherinnen einfach nicht mehr, weil jetzt der Personalschlüssel so ist, dass auf so und so viel Kinder so und so viel Betreuer kommen und da haben die Erzieher zu wenig Zeit berechnet bekommen und das müsste geändert werden. Take 14 Mutter Imke Zimmermann Ich finde, es ist atmosphärisch hier sehr offen und sehr gut, so dass auch mit schwierigen Situationen sehr gut umgegangen wurde. Ich habe es auch manchmal chaotisch erlebt, aber ich hatte immer ein gutes Gefühl und ich denke, die Zeiten, die da fehlen, ohne dass ich es jetzt belegen könnte, wenn die Kinder dann größer sind, es andere Konflikte gibt, dass es gut wäre, Fortbildungszeit oder Zeit für Supervision zu haben, wie man vielleicht Gruppenkonflikte löst. Aber ich glaube, da wird es dann wirklich schwierig, wenn man nur noch agiert und keine Zeit hat. Sprecherin: Imke Zimmermann und Petra Schnee, beide Mütter von zweijährigen Jungen in der Krippengruppe in der Hochkirchstraße. Beim Bringen und Holen erleben sie: ihre Söhne stürmen auf ihrer Erzieherin zu und freuen sich auf die anderen Kindern. Das gibt den Eltern ein gutes Gefühl und darauf müssen sie vertrauen. Sie sind in einer Zwickmühle. Sie brauchen den Platz und haben wenige Möglichkeiten, auf die Qualität Einfluss zu nehmen. Wie in der Kita Hochkirchstraße unterstützen viele Elterninitiativen das Volksbegehren "Kitakinder + Bildung von Anfang an = Gewinn für Berlin". Die Hauptstädter sollten darüber abstimmen, ob sie bereit sind, mehr in eine qualitativ gute Betreuung zu investieren. Trotz ausreichender Unterschriften schmetterte der rot-rote Senat die zweite Stufe der demokratischen Befragung aus finanzrechtlichen Gründen ab. Andere Mitsprachemöglichkeiten gibt es nicht. Zugleich fehlen bundesweit einheitliche Vorgaben, wie die frühkindliche Bildung ausgestaltet sein soll und kein Qualitätsbeauftragter, vergleichbar mit dem TÜV oder der Stiftung Warentest, drängt darauf, überall die besten Bedingungen für die Kinder zu sichern. Dabei gibt es Krippen, die Maßstäbe setzen. Atmo 9: Krippe Hamburg - Ruhe im Raum Take 15 Larrá Es strahlt etwas von Geborgenheit aus, von gut Aufgehobensein für die Kinder aus.. Das merkt man auch, wenn man in die Einrichtung hinein kommt, wie die Raumgestaltung ist, dass man sich da sehr, sehr viel Gedanken gemacht hat, den Kindern Anregungen zu geben, sich zu bewegen, verschiedene Bewegungsarten auch auszuprobieren, mutig zu werden, selbständig zu werden. Sprecherin: Franziska Larrá, Pädagogin und Geschäftsführerin bei der "Vereinigung Hamburger Kitas". 175 Kindertagesstätten gehören zu diesem größten Hamburger Träger - fast alle nehmen auch Kinder unter drei auf. Atmo Sprecherin: Eine der Einrichtungen ist die Kita Zeiseweg in Hamburg-Altona. In dem 30 Quadratmeter großen Gruppenraum mit riesigen Fenstern zum Garten finden die Knirpse eine Höhle zum Kuscheln und Verstecken, Matten am Boden zum Ruhen oder Raufen, eine Kochecke. Über eine Schräge und Stufen gelangt man auf die nächste Ebene zu einer Nische mit Autos und einer mit Büchern, von dort geht es noch eine Etage höher, alles ist ausgelegt mit verschiedenfarbigen und strukturierten Teppichen. Take 16- Leiterin Hilla Scharfenberg Das haben wir im Laufe der Zeit entwickelt. Das ist ja auch eine Kostenfrage. Sprecherin: Hilla Scharfenberg, die Kita-Leiterin-. Take 17- Leiterin Hilla Scharfenberg Damals haben wir gesagt, wenn uns Bewegung wichtig ist, dann müsste diese Bewegung auch im Alltag, in den Gruppen, also es muss Möglichkeiten geben, unterschiedliche Bewegungsformen zu üben. Sprecherin: Was die einen entwickeln, können auch die anderen für sich nutzen. Einige der 850 Kolleginnen, die bei diesem Träger mit den Jüngsten arbeiten, tauschen sich regelmäßig in einer Arbeitsgruppe aus. Diese Expertinnen für Frühpädagogik haben eine Broschüre über Schlüsselsituationen erarbeitet- und entsprechend gibt es in allen Einrichtungen Standards zu Themen wie: die Eingewöhnung der Kinder, der Kontakt mit den Eltern, die Raumgestaltung oder die sinnliche Anregung der Mädchen und Jungen. Dazu gibt es dann Fortbildungen - die erfahrene Erzieherin Christine Voß besuchte zum Beispiel eine zum Thema Klang. Take 19a Erzieherin Christine Voß Da ging es z.B. um das Gehör, um Sprachentwicklung und wie wichtig eigentlich Musik ist und zwar nicht immer nur Rolf Zuckowski, weil das immer nur ein und dieselben Tonfolgen sind, sondern dass man auch darauf achtet, dass da ne Vielfalt ist. Sprecherin: Die Eltern wurden angesprochen Musik mitzubringen. Take 19b Voß Am besten, wir haben ja auch ausländische Eltern, auch Musik, die wir nicht jeden Tag hören. Arabische Musik, orientalische Musik, mittelalterliche Musik, wo Instrumente benutzt werden, die man heute nicht mehr im Radio hört und vielleicht dazu ein Bewegungsspiel macht. Je ausgefeilter das Gehör trainiert ist, desto leichter soll es dann sein, Fremdsprachen zu lernen. All solche Dinge. Das war mir so bewusst nicht. Take 19 b Leiterin Hilla Scharfenberg Das ist meine Aufgabe da immer wieder hinzugucken. Sind wir jetzt noch gut. Ich bin ja auch so lange hier und vielleicht betriebsblind und da finde ich es wichtig, dass da jemand von außen kommt, wir durchs Haus gehen und wir auf den Teambesprechungen darüber sprechen, was ist gut, was muss verändert werden. Sprecherin: Ein Prozess bei dem sich die Kita durch ihren Träger, die Hamburger Vereinigung unterstützt und begleitet weiß. Dabei ist eines klar: Selbst in den exzellenten öffentlichen Krippen in Hamburg gibt es keine besseren Rahmenbedingungen als anderswo. Auch Hilla Scharfenberg kann für jeweils 18 Kinder unter drei nur zwei Erzieherinnen für eine Gruppe einplanen. Take 20- Leiterin Hilla Scharfenberg Das heißt ja nicht unbedingt, wenn ich drei Leute in der Gruppe habe, dass deswegen die Arbeit qualitativ besser ist. Ich finde, dass meine Kolleginnen gut mit den Kindern umgehen, dass sie ein breites Wissen haben und dieses Wissen in der Praxis umsetzen. Sprecherin: ... verteidigt die Kita-Leiterin ihre Kolleginnen. Take 21 Larrá Wir haben eine professionelle Verwaltung. Wir haben pädagogische Unterstützungsmöglichkeiten, wir haben Beratungsmöglichkeiten, die wir den Kitas anbieten, wir haben eine eigene Fortbildungsabteilung, die maßgeschneidert für die Kitas Angebote macht, alles, was das Leben der Leute vor Ort dann auch etwas leichter machen kann. Sprecherin: ...ergänzt Franziska Larrá und erklärt, dass dies etwas mit der Größe des Trägers zu tun hat. 175 Kitas bringen ein anderes Gesamtvolumen zum Wirtschaften ein, als eine Kommune, die mit nur drei, vier oder einem freier Träger zehn, zwölf Einrichtungen unterhält. Take 22 Larrá Die Kitaleitung in der Vereinigung managt ihren Betrieb wirklich selbst. Sie können ihre Personalbesetzung selbst entscheiden. Sie können über Reparaturen selbst entscheiden, Anschaffungen. Das macht so viel aus. Das sind wirklich Chefinnen in ihrem Laden und sie wollen ihren Laden in Ordnung haben. Und das wirkt sich genauso auf der pädagogischen Ebene aus. Sprecherin: Nach seinen Möglichkeiten erkennt der Träger diese Leistungen auch an. Er zahlt zwar nur die für eine Erzieherin mit Fachschulabschluss üblichen Gehälter in der Spanne von 1.300 bis maximal 2600 Euro brutto. Aber er versucht wenigstens, den Erzieherinnen bessere Verträge anzubieten, nicht nur befristete und nicht nur Teilzeit, wie ansonsten üblich. Das ist auch nötig. Take 23 Larrá Wir merken, dass wir unsere Ansprüche an Personal immer schwerer umsetzen können. Wir kriegen Leute. Aber wir haben eben einen sehr hohen Anspruch an die Mitarbeiter, die wir einstellen möchten und das wird immer schwieriger. Take 24 Werner Eckart Der Markt ist ganz ausgepowert. Sprecherin: Werner Eckart, der Kita-Leiter aus Berlin. Take 25 Werner Eckart Ich weiß von ganz vielen Leitungskollegen: Es ist keine Freude, gegenwärtig Stellen zu besetzen und es gibt sehr viele unbesetzte Stellen. Sprecherin: Um mit dem Ausbau Schritt zu halten, so das Deutsche Jugendinstitut München, werden zusätzlich rund 75 000 Erzieherinnen gebraucht. Das Familienministerium gibt einen Bedarf von 80 000 Pädagogen und 30 000 Tagesmüttern und -vätern an. Doch nur 12 000 bis 15 000 Absolventinnen verlassen jährlich die Fachschulen - und längst nicht alle gehen in den Beruf oder bleiben dabei. Take 26a Werner Eckart Das liegt mit ganz hoher Sicherheit an der miserablen Bezahlung und ich denke auch an den schlechten Arbeitsbedingungen, was auch das ganze Krippenausbauprogramm der Ministerin auch sehr fragwürdig macht. Das setzt eine Personalausstattung voraus, die in Deutschland einfach nicht gegeben ist. Sprecherin: Auch die Kritik an der mangelnden akademischen Ausbildung der Erzieherinnen bleibt bestehen - selbst wenn inzwischen über 30 Universitäten und Fachhochschulen Hochschulstudiengänge für Pädagogik in der frühen Kindheit oder für Kita-Management anbieten und dort demnächst Jahr für Jahr etwa Tausend akademisch gebildete Erzieherinnen ihren Bachelor oder Master ablegen werden. "Die Frühpädagogik ist in Deutschland weder als Profession noch als Disziplin entwickelt...", konstatierte der Bericht "Bildung in Deutschland 2008" und gab damit seine Empfehlung für den bevorstehenden Bildungsgipfel der Bundesregierung. Take 27: Viernickel Für diesen anspruchsvollen Beruf geben wir zu wenige Ressourcen hinein. Sprecherin: Prof. Susanne Viernickel. Take 28: Viernickel Es ist von der Ausbildung bisher auf einem eher niedrigen Niveau und die Bezahlung ist nicht angemessen, meiner Meinung nach, die Aufstiegsmöglichkeiten sind es nicht und wir haben auch nicht, wie man es im Lehrerberuf üblich ist, dass man seine Unterrichtszeit hat und auch Vor- und Nachbereitungszeit und das gibt es abgesichert in den Kitas auch nicht und das ist auch wieder ein Flickenteppich und in Berlin ist es anders als in Rheinland-Pfalz und von Träger zu Träger ist es auch unterschiedlich. Atmo A10: Eingewöhnung... Tobias Jackel... Sprecherin: Eingewöhnungsphase für den anderthalb jährigen Jaris in der Hamburger Kita Zeiseweg. Atmo A 11: Du schläfst mit den anderen Kindern heute... Du bleibst bei Marina... Weint... Süßer... Hab eine gute Zeit. Magst du zu Marina...Weint... Papa geht jetzt .. Ich komme dann wieder und hole dich ab... ... Take 29a Vater - Tobias Jackel Die Erzieherin wird natürlich eine wichtig Person. Aber das freut mich im Augenblick erst mal noch, dass er da so einen Kontakt entwickelt und dann gehen kann von uns. Das finde ich auch ganz angenehm und ich denke, das wird immer was anderes bleiben. Take 29b Erzieherin Sabine Wichmann Wir versuchen den Eltern in der ganz ersten Zeit zu sagen, je besser wir uns verstehen, je mehr wir uns austauschen, desto besser kann das Kind auf uns zugehen und so versuchen das Verhältnis weiter aufzubauen. Sprecherin: Erzieherin Sabine Wichmann berichtet den Eltern von den Erlebnissen und den Lernfortschritten der Kinder: Was sie malen, mit wem sie spielen... Take 30a Erzieherinnen Sabine Wichmann Dann haben sie auch mehr Vertrauen, erzählen von sich aus auch mehr, was zu Hause auch gewesen ist und so merkt man das auch, wenn die Eltern zufrieden sind, das Kind hier mit sicherem Gefühl abgeben, kommt das Kind auch viel sicherer und lieber zu uns. Und dann kann man auch ganz einfacher mit ihnen arbeiten. Take 30b Vater - Tobias Jackel Ich könnte mir vorstellen, dass man dazu mehr Zeit brauchen würde, als ihn nur morgens kurz zu übergeben und zwei Worte zu wechseln. Im Augenblick interessiert mich alles, was sie machen und wie sie das so hinkriegen. Sprecherin: Tobias Jackel und Thomas Fischer wünschen sich so etwas wie eine Begleitung für die Elternschaft durch die Kita: Take 31 Vater - Thomas Fischer Gerade wenn die so klein sind haben die alle Nasen lang was. Man liest sehr, sehr viele Bücher. Man hat eine Hebamme mal gehabt, man hat Kinderärzte und man kriegt aus den Erfahrungswerten zusätzlich noch mal Tipps, wie man das eine oder andere behandeln kann, das man hier und da auch mal pünktlich sein muss, dass die Kinder halt Regelmäßigkeiten brauchen. Das sind ja professionelle Leute, die sich mit der Angelegenheit beschäftigen, gerade in diesem Kindergarten, kriegt man viele Tipps. Sprecherin: Beide Väter sind Akademiker - und wenn sie von Lernen sprechen, geht es darum, die Bedingungen zu optimieren. Sie regen ihre Kinder zu Hause an und geben ihnen Geborgenheit. Und zugleich sorgen sie dafür, dass ihre Kinder in der Krippe von anderen Gleichaltrigen lernen können. Jene Kinder aber, die in anregungsarmen oder gar belasteten Milieus aufwachsen, mit Eltern, die bei elementaren Dingen Unterstützung brauchen oder in Familien, in denen nicht Deutsch gesprochen wird, sind kaum in den Krippen zu finden. Atmo: A12 Hallo Espe, hallo Kenan, guten Morgen - Kenan ist auch ein Junge, der in der Eingewöhnung ist... Sprecherin: Ein türkisches Kind in der Krippe - es ist die Ausnahme. Dabei entstammt heute bereits jedes dritte Kind unter sechs Jahren einer Familie mit nichtdeutscher Herkunft. Diese Eltern melden ihr Kind meist erst kurz vor der Einschulung im Kindergarten an, viel zu spät, um die deutsche Sprache noch sicher zu lernen und die Mädchen und Jungen anderweitig zu fördern. Take 32- Leiterin Hilla Scharfenberg Die türkischen Frauen sind noch nicht so berufstätig, nicht alle. So erkläre ich mir das. Sprecherin: Hilla Scharfenberg, Kita-Leiterin in Hamburg. Take 33a Leiterin Hilla Scharfenberg Wir haben oft Nachfragen, wenn die Kinder so drei sind und da möchten sie im altersgemischten Bereich einen Platz haben. Take 33b Larrá Die unter Dreijährigen und über Sechsjährigen haben nur dann einen Anspruch, wenn beide Eltern berufstätig sind und gerade in Migrantenfamilien ist das häufig der Fall nur ein Elternteil oder beide nicht berufstätig sind und dann gibt es keinen Anspruch auf eine Kitabetreuung und da es derzeit sehr viele Anspruchsinhaber gibt, die auf einen Krippenplatz warten, weil einfach alle voll sind, ist das klar, die bekommen keinen Platz. Sprecherin: Statt diese Benachteiligung aufzulösen, wird sie durch den geplanten Krippenausbau noch verschärft. Bereits jetzt erlassen einige Kommunen, denen es finanziell gut geht, die Kita-Gebühren oder gewähren für Zweijährige das Recht auf einen Kinderkrippenplatz. Davon aber profitieren selten Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Durch den Krippenausbau werden nun zum einen auch Betriebskrippen in Unternehmen gefördert - natürlich nur offen für Kinder von Beschäftigten. Zum anderen erlaubt das neue Kinderförderungsgesetz privatgewerblichen Trägern, Krippen zu bauen und zu betreiben und gibt auch ihnen Zuschüssen. Dabei ist zu befürchten, dass diese sich mit ihren kommerziellen Angeboten auf zahlungskräftige Eltern konzentrieren. Eine Steuerung im Interesse vor allem der bedürftigen Kinder vermisst auch Susanne Viernickel. Take 34: Viernickel Das hängt damit zusammen, dass der Ausbau vom Bund sozusagen angeregt und verordnet ist, dass die Kosten aber von den Kommunen, zu einem geringeren Teil aber auch von den Trägern zu tragen sind. Und dadurch gibt es dieses Ungleichgewicht. Deshalb benutze ich auch das Wort vom Flickenteppich. Es ist überall verschieden. Wir haben nicht das, was Kindern ja zusteht, nämlich eine Chancengerechtigkeit. Ein Kind, abhängig davon, in welcher Gemeinde es aufwächst, hat es entweder eine gute oder eine weniger gute Chance in einer Kita, einer Krippe eine gute Bildung und Erziehung zu erhalten. Sprecherin: Notwendig ist eine gesellschaftliche Verständigung darüber, was uns das Aufwachsen der Jüngsten wert ist. Take 35: Viernickel Klar ist, dass viele Länder viel Geld in dieses Früherziehungssystem investieren. Das europäische Kinderbetreuungsnetzwerk hat empfohlen, dass jedes Land ein Prozent des Bruttosozialprodukts für die frühkindliche Bildung und Erziehung bereitstellen sollte und wir sind bei 0,4 und andere Länder sind höher. Sprecherin: Noch immer werden hierzulande andere Dinge als vorrangig erachtet - nicht Kinder, schon gar nicht die armer Leute. Zirka 6,5 Milliarden Euro würden genügen - so die Zahlen von Bildungsökonomen der Universität Koblenz oder von der Unternehmensberatung McKinsey - um die Krippen bedarfsgerecht auszubauen, Kinder in sozialen Brennpunkten besonders zu fördern sowie die Erzieherinnen besser zu qualifizieren und zu bezahlen - wenig mehr als der Betrag von fünf Milliarden Euro, auf die der Bund mit seiner jüngsten Unternehmenssteuerreform jährlich verzichtet. Nicht nur bei den Banken, auch in der Bildung ist Gefahr im Verzug. Der Nationale Bildungsgipfel in dieser Woche wird zeigen, ob zukünftig mehr in Qualität und Chancengleichheit investiert wird. In Schweden hat ein solches Treffen zu einer veränderten gesellschaftlichen Aufmerksamkeit für Bildungsfragen geführt. In der Folge beschlossen der Ministerpräsident und die Regionalvertreter, einen Teil der Mehrwertsteuererhöhung in die frühkindliche Bildung zu investieren. Atmo A13/ 13a: Kinder Sprecher: Qualität darf kein Glücksfall sein Über den Ausbau der Kinderkrippen in Deutschland Von Barbara Leitner Es sprach: Regina Lemmnitz Ton: Ralf Perz Regie: Klaus-Michael Klingsporn Redaktion: Constanze Lehmann Produktion: Deutschlandradio Kultur 2008 In der kommenden Woche senden wir: Mit Volldampf an die Börse? Gewinner und Verlierer der Bahnprivatisierung Manuskripte und weitere Informationen zu unseren Sendungen finden Sie im Internet unter www.dradio.de 1