DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 14.01.2014 Redaktion: Karin Beindorff 19.15 - 20.00 Uhr Kriegstriptychon Die zwei Welten des Otto Dix Von Ulrike Bajohr URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Musik Zitator Dix: Hemmenhofen, 26. Oktober 1967 "Sehr verehrter Herr Generaldirektor! Sie wissen, dass mein großes vierteiliges Kriegsbild nicht nur einen künstlerischen Wert hat, sondern auch einen Propagandawert gegen den Krieg. Ich möchte nun dieses Bild, das schon seit 10 Jahren in der Gemäldegalerie Dresden hängt, für lange Zeit öffentlich im Westen zeigen. Deshalb habe ich mich entschlossen, den Leihvertrag ... zwischen mir und den Staatlichen Sammlungen ... zu kündigen... Ihr ergebener Otto Dix" 1 O-Ton Frank Kempe Das muss gewesen sein, als die große Kunstausstellung eröffnet wurde in Dresden, da saß der Dix beim Erhard in der Werkstatt, und oben war die große festliche Eröffnung der Kunstausstellung. Und der Dix war ganz stocksauer, weil er nicht eingeladen worden war. Da war Walter Ulbricht und die ganzen Typen, und die hatten offensichtlich Angst - dass der Dix...der sprach ja immer, wie ihm der Schnabel gewachsen war , dann einfach ... so`ne Scheiße hier... so war er ja. ... Und da hat der Dix gesagt: So, jetzt müssen se mein Kriegstriptychon kaufen! Koofen, hat er gesagt. Ansage Kriegstriptychon Die zwei Welten des Otto Dix Ein Feature von Ulrike Bajohr Zitator Dix: So, jetzt müssen sie mein Triptychon kaufen! O-Ton Frank Kempe ... aber wir sprechen jetzt von den 60er-Jahren, da hatte der Dix auch im Westen Riesenprobleme. Es war einfach noch nicht der Markt reif. Und Dix war auch politisch nicht so ganz 100%ig gelitten in der Bundesrepublik, er hatte sich engagiert in der Ostermarschbewegung und verschiedenen Abrüstungsgeschichten, er hatte es gar nicht so leicht im Westen in den 60er Jahren... deshalb wurde er dann auch von der DDR sehr poussiert und geehrt und gemacht... Ich weiß dass der Dix, weil er so bisschen als Pazifist galt, in den bürgerl. Kreisen nicht so wohlgelitten war. O-Ton Dix/ Zitator Dix: Ich habe Angst gehabt als junger Mensch, wenn man langsam vorkommt an die Front, da war eine Hölle von Trommelfeuer...Das musste ich alles ganz genau erleben, das wollte ich, also bin ich kein Pazifist, oder?... ich bin ein neugieriger Mensch gewesen... Ich bin so eine Realist, wissen Sie, dass ich alles mit eigenen Augen sehen muss, deswegen habe ich mich freiwillig gemeldet... Die Läuse, den Dreck, den Hunger, die Angst, die Hosenscheißerei...Selber erleben! Selber gekreuzigt werden, dann ist es was! Existenziell! ... Und wenn ich jetzt den Menschen hier vor dem Film, vor dem Radio dieses Paradoxon vortragen soll - denen graut` s ja geradezu in dieser Bundesrepublik oder überhaupt in Deutschland, denen graut`s ja. Was ist der Kerl, was ist das doch für `n Vieh, dass der das so raussagt... dass der sich mit dem nackten Arsch aufn Tisch setzt -das darf man doch nicht, man muss doch eine Form halten. Man muss doch ein Maß halten, ein bürgerliches Maß halten in dem, was man redet. Und davor habe ich...ich habe Angst vor meinem Temperament. 2 (Musik ) Autorin Dresden, Albertinum, Galerie Neue Meister. In der 2. Etage, an der Stirnwand des Saals mit Dix-Werken, das Triptychon "Der Krieg". Das dreiteilige Tafelbild mit Predella, einer vierten Tafel unter dem Mittelstück, ist eines der Hauptwerke des 20. Jahrhunderts in diesem Museum. Die US-amerikanische Kunsthistorikerin Kira van Lil hat es so beschrieben: Zitatorin Das Bild ist eine Passionsdarstellung. Im linken Flügel ziehen die Soldaten mit geschulterten Gewehren in die Schlacht, Zitator Dix: Kreuztragung! Zitatorin der Mittelteil zeigt Tote im Schützengraben, insbesondere einen auf einen Eisenträger aufgespießten Mann. Zitator Dix: Kreuzigung! Zitatorin im rechten Flügel kommt ein einziger Soldat, Zitator Dix: Ich! Zitatorin mit den Zügen eines Selbstporträts aus der Schlacht heraus, Zitator Dix: Auferstehung! Zitatorin und in der Predella schließlich sind schlafende Soldaten im Unterstand zu sehen. Zitator Dix: Grablegung! Zitatorin Als Leser Friedrich Nietzsches begreift Dix den Krieg ... offenbar als schicksalhaft, als "ewige Wiederkehr des Gleichen". 3 Autorin Kira van Lils Beschreibung fiel 2008 knapp und kühl aus. Joachim Uhlitzsch dagegen, seinerzeit Chef des Albertinums, zeigte sich 1980 im DDR-Rundfunk ziemlich beeindruckt. O-Ton Uhlitzsch Der Künstler unternimmt es, den Betrachter zum Mithandelnden, Mitleidenden zu machen. Furcht vor der Hölle des Krieges verbindet sich mit dem Willen, retten zu wollen. Dieser Mann, der einen Verwundeten mit sich schleppt, der Leben bergen und schützen will, trägt unverkennbar die Züge des Meisters. Es liegt dem Bild ein tiefer humanistischer Gedanke zugrunde. Dix, der Furcht und Vernichtung in allen nur denkbaren Formen gestaltet, gibt sich selbst die Rolle des Lebensretters.4 (kurze Kapitelzäsur/Musik) O-Ton Dix /Zitator Dix Ich bin ein derartig souveräner Prolet, nicht wahr, wenn ich sage, das mach ich, dann könnt ihr sagen, was ihr wollt. Wozu das gut ist, weiß ich selber nicht, aber ich mach´s. Weil ich weiß, so ist das gewesen und nicht anders. Dieses Leben ist eine ganz tragisch-kümmerliche Angelegenheit gewesen.5 O-Ton Uhlitzsch Er entstammte der Arbeiterklasse, und er blieb dieser Klasse mit seiner Kunst treu. Es gibt heute eine Menge Bücher über ihn, doch nicht ein einziges davon untersucht sein Lebenswerk unter dem Gesichtspunkt der Klassenbindung. Die Folge davon ist, dass sein Lebenswerk durchweg als progressive bürgerliche Kunst interpretiert wird. Zitator Dix Ich bin geboren am 2. XII. 1891 nachts 1 1/2 Uhr damit Sie es ganz genau wissen in Untermhaus bei Gera. ...Mein Vater ist Eisengießer & Former.... Vom 14-18ten Lebensjahre lernte ich Dekorationsmaler ... Vom Fürsten von Reuß erhielt ich [ein] Stipendium & ging nach Dresden zur Kunstgewerbeschule. August 1914 wurde ich zum Militär eingezogen [...] 6 (Danach ging ich in Dresden zur Akademie und gründete 1919 die Sezession mit.) O-Ton Beck Man muss sagen, dass viele von der Dixschen Kunst, der Direktheit und Unverblümtheit, dem Proletarischen darin, angewidert waren. Dix war auch in nichtnationalsozialistischen Kreisen durchaus umstritten. (Blättern, darauf:) Autorin Rainer Beck, Professor an der Kunsthochschule Dresden, blättert in seiner Dix-Monographie die 20er-Jahre auf - die Vorgeschichte des Triptychons. O-Ton Beck ...der Salon 1, Mädchen vorm Spiegel, da hat es sogar einen Gerichtsprozess gegeben, Dame mit Schleier, Zuhälter mit Nutten, der Lustmord... das sind alles Dinge ... die einem konservativen Bürgertum nicht gefallen haben. Zitator Dix: Und dann: Der Schützengraben! (kurze Kapitelzäsur/Musik) O-Ton Beck Sein Schützengraben ist ja mit der Kampagne "Nie wieder Krieg!" durch ganz Deutschland gezogen, als Abbildung und manchmal auch realiter, und er galt auch mit seiner Radierfolge "Der Krieg" als ein Kriegskritiker. O-Ton Hering Und das Thema ist immer der Schlamm, der Dreck, das Blut, das Elend, die Leichen... im Grunde wie ein Bann, das, was man erlebt hat, wirklich ad acta legen zu können... Autorin Michael Hering hütet im Kupferstichkabinett Dresden Otto Dix` graphische Arbeiten. Autorin Im Kölner Wallraf-Richartz-Museum wurde der "Schützengraben" fünf Jahre nach dem Ende des 1. Weltkriegs, Ende 1923 erstmals ausgestellt. Zitator Dix: Tote im Schützengraben, ein auf einen Eisenträger aufgespießter Mann. Autorin Das Publikum stand Schlange nach dem umstrittenen Antikriegsbild. Museumsdirektor Hans Friedrich Secker war entschlossen, 10.000 Goldmark aufzutreiben, um das Bild anzukaufen, notfalls wollte er Depotbestände veräußern. O-Ton Beck ... Und das hat damals Adenauer als Oberbürgermeister verhindert. Autorin Erst 5 Jahre später, 1928, konnte Dix seinen Schützengraben verkaufen - an das Städtische Museum Dresden. (kurze Kapitelzäsur/Musik) Autorin Nach den Skandalen der frühen zwanziger Jahre war Otto Dix nach Düsseldorf gezogen, in den Dunstkreis unerschrockener Sammler. Darunter der Arzt Hans Koch. Dessen geschiedene Frau Martha heiratete der Künstler 1923. Zuerst in Düsseldorf und kurz darauf in Berlin gewann Dix jene Aufmerksamkeit, die ihm 1926 einen Ruf zurück nach Dresden eintrug: Er wurde Professor an der Kunstakademie. O-Ton Rainer Beck Dresden hat Dix in besonderer Weise geprägt, weil die frühen Dresdner Jahre ihn begleitet haben bis an sein Lebensende. Er kam als ungebildeter junger Mensch nach Dresden und hat dort die ganze Welt der Literatur, des Theaters erlebt... aufgesogen und umgesetzt. Auch nach dem 1. WK die Kontakte zu den Literaten, zum Kreis um Bienert, Will Grohman... dann seine Auseinandersetzung mit den Philosophen, gerade auch mit Nietzsche...// diese ganzen ersten Begegnung mit der Welt der Literatur, der Philosophie, der Bildenden Kunst, die haben ihn geprägt, und das hat in Dresden stattgefunden... Autorin Auch Käthe König traf er in Dresden wieder - er hatte sie in seiner "wilden Zeit" kennengelernt. O-Ton Kempe Ich glaube, sie war Modell in den 20er-Jahren. Hat so gejobbt als Modell, die Modelle waren ja nicht angestellt an der Kunstakademie.... Das müsste sie eigentlich sein, das farbige Bild.... Da (blättert) ....So sah sie aus, schwarz und wild... Autorin Frank Kempe, Kunsthändler, erst Dresden, heute München, hat Käthe König als Lehrling seines Vaters kennengelernt. Seine Familie war ihr und Dix halb freundschaftlich, halb geschäftlich verbunden. Das lebenslange Liebesverhältnis der beiden war kein Geheimnis. Zitator Dix Mein lieber Schatz, das ist wahrscheinlich das letzte, was ich Dir aus Rom schreibe. Sonntag fahre ich zurück und muss den großen Bildertransport in die Wege leiten... Innige Küsse... 7 (kurze Kapitelzäsur/Musik) Autorin Bayreuther Straße 32, Dresden, Südvorstadt. Das Emailleschild "Otto-Dix-Haus" markiert heute eine prominente Adresse für IT-Firmen und Architektenbüros. Hier lebte der "Professor Dix" ein paar Jahre wohlsituiert - mit Gattin und drei Kindern - und der Geliebten Käthe König im Hintergrund. Zitator Dix 1928 fühlte ich mich reif genug, das große Thema anzupacken, dessen Gestaltung mich mehrere Jahre beschäftigt hat. In dieser Zeit propagierten ... viele Bücher ungehindert ... erneut ein Heldentum und einen Heldenbegriff, die in den Schützengräben des ersten Weltkriegs ad absurdum geführt worden waren. Die Menschen begannen schon zu vergessen, was für ein entsetzliches Leid der Krieg ihnen gebracht hatte. Aus dieser Situation heraus entstand das Triptychon. Ich wollte ... zeigen, dass echtes Heldentum in der Überwindung des sinnlosen Sterbens besteht."8 O-Ton Rudert Der Vorwurf gegen ein Vorgängerbild "Schützengraben", war ja, dass es schlecht gemalt war. (läuft weiter) Autorin Thomas Rudert ist Provenienzforscher und bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und hat sich intensiv mit der Geschichte des Kriegstriptychons befasst. O-Ton Rudert Und im gewissen Sinne ist das Triptychon eine Antwort auf diesen Vorwurf. Autorin 1932 war das Kriegstriptychon fertig und wurde in der Preußischen Akademie der Künste in Berlin ausgestellt, zu deren Mitglied Dix im Jahr zuvor ernannt worden war. Doch es erregte nicht dieselbe Aufmerksamkeit wie zuvor der "Schützengraben". Und so hatte sich noch kein Käufer gefunden, als im April 1933 Dix Vorgesetzter und Erzrivale, Akademiedirektor Richard Müller die Säuberung der Akademie einleitete: Zitator 1/Müller "Habe ich fernmündlich von Herrn Reichskommissar von Killinger die Anweisung erhalten, Professor Dix mitzuteilen, dass er entlassen sei und die Akademie nicht mehr betreten dürfe und keine Pension erhalte. Professor Dix ist zur Zeit nach Gera verreist und nicht erreicht worden.9 Autorin Hatten Dix seine malerische Genauigkeit, aber auch die Debatten, die er auszulösen vermochte, den Lehrstuhl in Dresden eingetragen, war er nun gerade deswegen den Nazis verhasst. Und so wurde Otto Dix zu einem "Entarteten" der ersten Stunde. Im September 1933 gab es im Dresdner Rathaus den sächsischen Testlauf zur 4 Jahre später in München stattfindenden Ausstellung: ‚Entartete Kunst'. Zitator 1/Müller: "Man könnte sich das Gemälde auch als Demonstrationsstück kommunistischer Agitatoren denken, die der aufgepeitschten Menge zurufen, daß hier Leute zu sehen sind, die so dumm waren, ihr Vaterland ausgerechnet im Schützengraben zu verteidigen."10 Autorin schrieb Richard Müller im Dresdner Anzeiger Zitator 1/Müller: "...Gezahlt wurden hierfür RM 10 000, davon 5000 Stadtbeitrag. Bezahlt von den Steuergroschen des arbeitenden deutschen Volkes!"11 Atmo Albertinum Autorin Der "Schützengraben" ist - ja wo? Vernichtet? Verkauft? Jedenfalls verschollen. 1940 tauchte das Werk noch einmal in den Offerten zweier Kunsthändler auf, die von den Nazis mit der "Verwertung" aussortierter Kunst beauftragt worden waren. Das Meisterwerk wurde auf 200 US-Dollar veranschlagt. Das Motiv des Schützengrabens überlebte in der Mitteltafel des "Kriegstriptychons". Diesmal nicht alla prima gemalt, in leuchtenden pastosen Ölfarben, sondern altmeisterlich, mit glatter, lasierter Oberfläche. (kurze Kapitelzäsur/Musik) O-Ton Dix/Zitator Dix: Mir wurde es dann unerträglich durch die Herren Malerkollegen, die Nazis waren, die auch prompt meine Stelle an der Akademie gekriegt haben.... Ich durfte auch nicht mehr ausstellen, und dann siedelten wir über nach Randegg, Randegg am Hohentwiel...//. Mein Frau wollte immer auswandern, die Schweiz war ja nah, aber ich habe gesagt: nein, ich bleibe hier, ich bleibe, wo meine Bilder sind!12 O-Ton Beck Sein eigentliches Thema, die Großstadt, die war ihm abhandengekommen, und dann war er mit Dresden doch verwurzelt, Dresden war seine Stadt, und 33 die Flucht vor den Schergen nach Randegg im Hegau und dann 1936, als Martha Dix eine Erbschaft gemacht hatte und in Hemmenhofen ein Haus bauen konnte - das waren für ihn im Sinne seines Heimatgefühl sicher Notquartiere. Hemmenhofen... er sagte immer: Ich stehe vor der Landschaft wie eine Kuh ... Zitator Dix: Ich stehe vor der Landschaft wie eine Kuh... O-Ton Beck ...im Grunde war nicht die Landschaft sein Thema, sondern der Mensch. O-Ton Dix /Zitator Dix: Es war ein Zwang, ein äußerer Zwang... Wenn ich in Dresden gewesen war, hätte ich nie Landschaft gemalt, es wäre alles ganz anders gewesen, alles ganz anders.13 O-Ton Kempe Er fühlte sich in dem bürgerlichen Habitus gar nicht so wohl. Seine Frau, die Martha, war sehr bürgerlich und wollte ihn immer zum Gentleman machen, das hat sie nicht geschafft. O-Ton Beck Natürlich war er ab und zu in Dresden, die Aufenthalte waren dosiert, es war für ihn gefährlich, und einmal ist er ja auch festgenommen worden.... O-Ton Dix /Zitator Dix: Klingelt`s auf einmal, und draußen stehen zwei primitiv-martialisch aussehende Herren. Kriminalpolizei. Was wollen Sie denn? Ja, wir wollen uns bloß mal bei ihnen umsehen. 14 Zitator Dix Im September 1939, nach dem Attentat im Münchner Bürgerbräukeller, haben sie versucht, mir die Teilnahme daran nachzuweisen, lächerlich! 15 O-Ton Beck Und Käthe König hat ihn gerettet, sie hat in einem Amt gearbeitet und hat bestimmte Dokumente verschwinden lassen... Autorin Im selben Jahr, 1939, wurde in Dresden Katharina geboren - die gemeinsame Tochter von Käthe König und Otto Dix. Der saß nun endgültig am Bodensee fest und versuchte, sich zu beschäftigen. Er malte Landschaft, altmeisterlich-metaphorisch: knorrige Äste ragen wie Hakenkreuzgalgen in die Luft. Ansonsten - nahezu prophetische Bilder, die sich nicht öffentlich ausstellen ließen: das brennende Dresden als Hintergrund von "Lot und seine Töchter", den Judenfriedhof in Randegg - und "Flandern", ein tief resignatives Bild. Anders als im Kriegstriptychon, aus dem wenigstens einer, der Maler selbst, der Schlacht entrinnt, wünschen sich hier auch die Überlebenden den Tod. 1945 wurde Dix zum sogenannten Volkssturm eingezogen und geriet dann in Gefangenschaft. Sein Selbstporträt aus dieser Zeit ist bar jeglicher Zuversicht. kurze Kapitelzäsur/Musik Autorin 1947 nahm Otto Dix seine Reisen nach Dresden wieder auf. Das Atelier auf der Kesselsdorfer Straße, das er gemietet hatte, als er aus der Akademie entlassen worden war, stand noch. Als Dix hier ankam, fand er seine zweite Welt zwischen allen Trümmern unversehrt. Die Geliebte Käthe König und Tochter Katharina warteten auf ihn. O-Ton Kempe Ich kann mich erinnern, dass der Dix... da war ich einmal dabei auf der Kesselsdorfer Straße - er malte gerade ein Porträt von der Käthe König, ja. Mit bissel wirren Haaren, da hat er gesagt: guck mir ni immer uffn Pinsel... Zitator Dix Guck mir ni immer uffn Pinsel! (kurze Kapitelzäsur/Musik) O-Ton Beck Für die Nazis war Dix ein Kriegssaboteur, ein Gegner jeglicher Parteipolitik und jeglicher Parteizugehörigkeit, wenn seine Schüler irgendwo mitmachen wollten, bei den Kommunisten oder bei den Nazis, wurde er fuchsteufelswild, sein Standardsatz war: Setz dich auf Deinen Arsch und male! Zitator Dix Setz dich auf Deinen Arsch und male! O-Ton Beck Und nach dem 2. Weltkrieg wollte Dix sich auch nicht vereinnahmen lassen... Er war kein unpolitischer Mensch, aber was Parteipolitik anlangte, war er nicht infizierbar. Zitator Dix Diese hohlen Phrasen konnte ich noch nie ausstehen! An das Kulturamt Gera, Sommer 1947 Ich schrieb Ihnen schon neulich, dass ich nicht gewillt bin meine Bilder "zur Diskussion zu stellen"! Wir haben nun in Deutschland jahrelang die Stimme des Volkes über künstlerische Dinge gehört ...Diskussionen laufen darauf hinaus, daß jeder Spießbürger und jeder "Blinde" seine kleinen Wünsche anbringen möchte. Jeder glaubt zu wissen wie Kunst sein sollte. 16 O-Ton Hering Otto Dix großes Problem war viel eher, dass er in beiden deutschen Staaten zwischen den Stühlen saß, weil hier war es eine sozialistisch-realistische Idee, die die Malerei tragen sollte, und im Westen war es das Informel. O-Ton Beck Nach dem 2. Weltkrieg gab es ja - polemisch ausgedrückt: das Diktat der Abstrakten - Ich glaube, dass es Dix gerade Anfang der 50er-Jahre pekuniär, also materiell sogar deutlich schlechter ging als zur Zeit des 3. Reiches sogar, da hat er eher Kunden gehabt, aber nach dem Krieg ging es ihm erst mal nicht so gut. O-Ton Dix/ Zitator Dix Wenn die Leute heute Bilder malen, abstrakte Bilder, Dinge, die überhaupt nichts aussagen. Man will heute nur eines: Augenschmaus. Für mich hat der Augenschmaus was mit Tapete zu tun, Teppich, ornamentaler Kunst -wunderschön, aber für mich ist das nicht genügend. Deswegen bin ich eigentlich derjenige, der nur Menschen malen kann. Warum? Weil überall eine Aussage ist bei mir...17 kurze Kapitelzäsur/Musik Autorin Dix Absage an alles Abstrakte schien der DDR-Kulturdoktrin zu entsprechen. Man tastete sich an ihn heran: er bekam den Auftrag eine Neujahrskarte für den Verlag der Kunst zu entwerfen! Und man hielt ihn sich vom Leib: Er wurde nicht Rektor der Dresdner Kunsthochschule, nicht einmal Lehrkraft. Und das Kriegstriptychon? O-Ton Rudert Es befand sich zum Kriegsbeginn im Atelier von Dix auf der Kesselsdorfer Straße. Er selbst war gar nicht in Dresden, als mit der Bienert-Sammlung zusammen dieses Triptychon kriegsbedingt geborgen worden ist, von der Ida Bienert, die hier eine große Sammlung hier in Dresden war, man kannte sich, und da hat es den Krieg überstanden, und war dann 46 bei der 1. Deutschen all. Kunstausstellung in D. mit ausgestellt. Und dann gab`s im Ergebnis der Ausstellung 46 ein Ankaufsangebot von der Landeverwaltung, aber darauf hat sich Dix nicht eingelassen wegen der Währungsschwierigkeiten, die es damals schon gab. Er wollte richtiges Geld. Autorin Unter dem Dach der Museumsverwaltung, hoch über dem Grünen Gewölbe und der Kassenhalle mit den Touristenschlangen, schlägt Provenienzforscher Thomas Rudert die Akte "Kriegstriptychon" auf. O-Ton Rudert Dann ging´s paarmal hin und her, war an verschiedenen Orten ausgestellt, und dann ist es zu einer großen Dix-Ausstellung 1957 nach Berlin gegangen und ist dann mit der Ausstellung, die danach in Dresden gezeigt worden ist, wieder hierher zurückgekommen. Und ab da befand es sich dauerhaft in Dresden, zum Schluss im Semperbau mit den Altdeutschen zusammen. Zitator Dix Das Kriegstriptychon! Bei den Alten Meistern! O-Ton Rudert Angekauft war es nicht, und wir hatten noch nicht mal einen Leihvertrag, es befand sich physisch hier, und wir hatten hier einen etwas eigensinnigen Generaldirektor, Max Seydewitz, ehemaliger Ministerpräsident, gut vernetzter Mann, ein Machtpolitiker, der mit ziemlich starker Hand die Kunstsammlung führte, nur von Kunst hatte er wenig Ahnung und vom Umgang mit Künstlern. Er war der Meinung, das ist Volkseigentum, es befindet sich hier und bleibt auch hier. Und dann hat er sich geweigert, es herauszugeben, selbst wenn Dix in der Bundesrepublik Leihgaben schon zugesagt hatte. Zitator 2/ Löffler "Dix war darüber so wütend, dass er einer Bitte der National-Galerie Folge leisten und das Bild nach Berlin geben wollte. Ich habe die Weggabe damals, (1957), verhindert."18 Autorin ...sollte Fritz Löffler im April 1968 an den SED-Stadtsekretär schreiben. Löffler, Kunsthistoriker, Verfasser einer bis heute maßgebenden Dix-Monografie, war Dix` Gewährsmann in Dresden. Die beiden kannten sich seit den 20er-Jahren, Löffler hatte Erfahrung im Umgang mit Kulturbürokraten jeder Couleur. kurze Kapitelzäsur/Musik Autorin Löffler, ein paar gute Freunde, Käthe und Katharina - Dix hatte viele Gründe, regelmäßig in die DDR nach Dresden zu fahren. Zitator Dix Für mich sind das Ferien. Ich sitze den ganzen Tag in so einem Kuhkaff, habe wenig Anregungen. Und hier, wenn ich so in der Elektrischen fahre, da gibt`s Typen, das ist unheimlich... O-Ton Dix .... wenn ich in der Elektrischen fahre, da gibt's Typen, das ist unheimlich. Am liebsten würde ich sagen setz dich hin, ich will dich mal zeichnen... gerade Kesseldorfer Straße, wo die Arbeiter wohnen... eine reiche Menschengegend, die nicht konventionell aussehen...das ist das, was mich immer wieder interessiert an Dresden, wenn ich aus dem Haus gehe in die Druckerei, da kann man was machen, das macht Spaß.19 O-Ton Beck Dix war in Dresden und der DDR ein bekannter Mann, mir wurde berichtet, dass Dix ohne alle Papiere an die Grenze gekommen ist, er sei Dix und er gehöre nach Dresden, und das sei doch selbstverständlich... und er wurde durchgelassen. Und er hatte schon einen Sonderstatus... aber er war dann den Parteitheoretikern oder Ideologen dann nicht geheuer. Autorin Die machten 1957 Otto Dix trotzdem zum Ehrensenator der Dresdner Kunsthochschule. Auf diese Weise konnte er jederzeit und kostenlos in der dortigen Druckerei mit seinen Freunden, den Druckern Alfred und Roland Erhard, grafische Blätter auflegen, aus deren Verkaufserlös er mit Hilfe des Kunsthändlers Horst Kempe seine Dresdner Familie, Käthe und Katharina, unterstützte. O-Ton Kempe Da unten in der Druckwerkstatt, das war ein Zeremoniell, wenn Dix gedruckt wurde, da kamen die ganzen Assistenten und guckten und machten, das war schon interessant. Erhardt war der Drucker seines Vertrauens, er hat ja schon in den 20er Jahren für Dix gedruckt. Autorin Inzwischen war Dix` Stern auch in Westdeutschland gestiegen - die von den Nazis als "entartet" aussortierte Kunst erreichte jetzt erst wieder das Publikum. Ida Bienert, Dix` Dresdner Mäzenin, hatte sich mit ihrer Sammlung in München niedergelassen. Stuttgart, Albstadt, Friedrichshafen verfügten über bedeutende Dix-Sammlungen. Es begann ein Wettlauf um den Maler: Zitator Dix 1955 documenta I. Mitglied der Akademie der Künste Westberlin, `56 Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Künste Ostberlin. `57 umfassende Retrospektive in der DDR `59 Bundesverdienstkreuz - gemeinsam mit Ernst Jünger. 1964 documenta III Autorin Nun konnte der Dresdner Generaldirektor Max Seydewitz nicht mehr verhindern, dass das Triptychon "Der Krieg" im Westen gezeigt wurde - 1963 ging es zu einer Ausstellung nach Darmstadt. Zitator Dix Zeugnisse der Angst in der modernen Kunst. Nach dieser Ausstellung wird das Bild dann ... wieder in der Dresdner Galerie als Leihgabe von mir ausgestellt werden. 20 O-Ton Rudert Man hat die Möglichkeit genutzt, den rechten Flügel, der nicht der richtige war, es gab ein formatgleiches Gemälde "Der Grabenkampf", das man hier in Dresden beigefügt hatte, der richtige rechte Flügel befand sich bei Dix in Hemmenhofen, und da hat man die Gelegenheit genutzt, den falschen mit dem richtigen rechten Flügel auszutauschen und in dem Zustand ist es dann nach Dresden zurückgekommen, nachdem Dresden den Leihvertrag unterschrieben hat. kurze Kapitelzäsur/Musik Zitator Dix "Otto Dix: Ein deutscher Maler, der in friedlicher Eintracht gefeiert wird"21 Autorin ... überschrieb die "Zeit" am 2. Dezember 1966 den Artikel zu Dix 75. Geburtstag, Anlass für jede Menge Ausstellungen, Ehrenringe und Ehrenmitgliedschaften im Westen und auch im Osten ... wobei die offizielle DDR sich schwer tat: einem proletarisch-revolutionären Künstler von Weltruf, einem Friedenskämpfer dazu, gebührte doch wohl der Nationalpreis ... aber: einem Bundesverdienstkreuzträger? Der umtriebige Fritz Löffler, der auch beim Leihvertrag zwischen Dix und den Dresdner Amtsträgern vermittelt hatte, schlug dem Museum vor, das Kriegstriptychon zu kaufen. 50 000 DM, ein Spottpreis - Ergebnis: Zitator 2/ Löffler "Ich wurde dafür nur wieder einmal geschmäht!"22 Autorin Und Dix wurde gewürdigt - feierlich, aber valutafrei O-Ton Radio/ DDR Das reiche, überragende Lebenswerk des in Gera geborenen Malers Professor Otto Dix, würdigte, meine verehrten Hörer, seine Heimatstadt Gera auf einer Zitator Dix (..ja, das hat ihn auch gefreut).. 27. November 1966, DDR-Radio O-Ton Radio/ DDR Festsitzung der Stadtverordnetenversammlung mit der Verleihung der Ehrenbürgerrechte an den großen Künstler. .....23 DDR-Fernsehfilm (auf Musik) Otto Dix malt, was er liebt, er tritt in Beziehung zu seinen malwürdigen Gegenständen, er malte die Arbeiter in ihrer Dachkammer und auf der Straße... er wollte eine Aussage machen, er schockiert die Konventionellen und trug stolz das Schimpfwort Bürgerschreck...... Zitator Dix 1. Dezember 1966, DDR-Fernsehen Dix in O-Ton DDR-Fernsehfilm/Zitator Dix All die ästhetische Aktmalerei, diese Gesellschaftsvergnügungen, das war uns einfach zuwider. Wir wollten den Mann auf der Straße, den einfachen Mann, wollten wir ansprechen, mit einer einfachen, ganz präzisen deutlichen Malerei. Obs dem sogenannten kleinen Mann selber gefallen hat, wissen wir nicht... Die würden ja so was gar nicht aufhängen, aber es ist notwendig, dass man ihnen die bittere Pille gibt, dass man ihnen sagt: so seid ihr, so ist das Leben und ihr seid so interessant, so wertvoll so malenswert, dass ihr gemalt werdet.24 Autorin Die Dokumentaristen des DDR-Fernsehens gaben sich redlich Mühe, dem Künstler und Menschen Dix gerecht zu werden - und der spürte das, er wollte ihnen entgegen kommen - und sagte trotzdem immer das Unerwartete. O-Ton Dix/Film Wir sind Heimatlose. Wir müssen uns einen Optimismus, einen Glauben an unsere Schöpferkraft, einen Glauben sogar an die Möglichkeit einer Zukunft, den müssen wir uns erkämpfen. Wir haben es wahnsinnig schwer. Ich meine, wenn man Kommunist ist, da glaubt man an das Glück, an die Zukunft der Menschheit. Es ist furchtbar schwer, für einen Menschen wie mich, der sehr kritisch ist, wieder diese einfache Kraft zu gewinnen, die man in der Jugend gehabt hat. 25 kurze Kapitelzäsur/Musik Autorin Am 1. Oktober 1967 stand Otto Dix wieder einmal in der Druckwerkstatt der Dresdner Kunsthochschule bei Roland Erhard. Und buchstäblich ein paar Meter weiter, im Albertinum, eröffnete Walter Ulbricht die 6. Deutsche Kunstausstellung. O-Ton Kempe Die stolzierten da vor diesen blödsinnigen Bildern herum und hatten nackte Angst, dass der Dix sagt: Das war doch mal ein Schüler von mir, was der für `ne Scheiße gemalt hat... Zitator Dix Das war doch mal ein Schüler von mir, was der für `ne Scheiße gemalt hat! Autorin Man wusste den eben noch hochgeehrten Meister in Dresden - und lud ihn nicht ein. Zurück am Bodensee, am 26. Oktober 1967 kündigte Dix per Einschreiben den Leihvertrag mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Am 8. November bekam der neue Generaldirektor des Museums einen weiteren Brief. Zitator 1: Lieber Genosse Dr. Bachmann! .... Es ist offensichtlich notwendig, dass ein bis zwei Genossen Professor Dix in seinem Heimatort besuchen, um mit ihm das Problem zu beraten mit der Zielstellung, dass das (Kriegstriptychon) weiterhin als Dauerleihgabe in den Staatlichen Kunstsammlungen verbleibt. ... Mit sozialistischem Gruß, Uhlemann, Sekretär der (SED-)Stadtleitung."26 O-Ton Rudert Und da hat natürlich Dix sofort frontal gegengehalten. Der wusste, wie die reagieren würden, und er war durch Löffler über jeden einzelnen Schritt informiert... und hat sich auch im Preis nicht runterdrücken lassen. Zitator Dix 500 000 DM!!27 O-Ton Kempe Ich glaube, er wollten sogar eine Million zuerst haben, das hatte ihm Düsseldorf geboten, diese Summe stand im Raum O-Ton Rudert 500 000 DM wollte er haben, gemessen an den Dix-Preisen für diese Zeit ein Freundschaftspreis, aber eben für DDR-Verhältnisse eine Riesensumme. Er hatte ja schon einen Schlaganfall gehabt und wollte die Verhältnisse regeln. Denn wenn er gestorben wäre und sich das Bild noch als Leihgabe hier in Dresden befunden hätte, das war allen Beteiligten klar und ist auch ganz klar aus den Akten abzulesen, man hätte die Dresdner Erben Käthe König und Katharina König in Ostmark ausgezahlt und dann hätte man das Bild einfach behalten. O-Ton Kempe Die hätten das Bild umsonst gekriegt, das wollte er wirklich schenken, wenn die nicht damals bei der Eröffnung diese Scharade gemacht hätten und ihn im Atelier haben sitzen lassen und oben der Ulbricht und der Seydewitz und wie die alle hießen... Zitator 1 /Aktennotiz "Vertraulich! Aktennotiz: über eine am 2. Februar 1968 stattgefundene Besprechung.... Teilnehmer: Genosse Minister Gysi, Genosse Forker, Genosse Uhlemann, Genosse Burkhardt und Genosse Dr. Bachmann...."28 O-Ton Rudert Da gab `s relativ schnell dann ein Signal aus Berlin vom Kulturministerium, von Klaus Gysi, der damals Minister war, dass die Regierung der DDR dafür kein Geld zur Verfügung stellen würde, und da hat man dann sich in Dresden hier intern geeinigt, Depotbestände der Museen zu verkaufen. Zitator 1 "....Erwerb des Bildes durch Verkauf von Depotbeständen .... ....Vorschlag: Aus dem grünen Gewölbe, (dem) Historischen Museum?"29 (folg. als Panorama) Zitator 2 Orden und Porzellane Zitator 1 ein geschnitztes Birnbaumrelief, 16. Jahrhundert Zitator 2 13 Gemälde, 19. und 20. Jahrhundert. Zitator 1 Waffen aus der Rüstkammer. Und ein Prunkrapier des sächsischen Kurfürsten Christian des Zweiten, um 1600. O-Ton Rudert ... und übrigens parallel dazu haben auch die Münchner Museen Kunst verkauft, um Kunst anzukaufen. Das ist hier in den Akten nachweisbar als Argument, wenn die das machen, können wir das auch machen. Zitator 1 "Problem: .... Kann es drüben bekannt werden? (Obwohl Wert steigt, wenn Herkunft bekannt wird.) .... Löffler und Dix nicht einweihen, woher das Geld kommt."30 O-Ton Rudert Das war in Dresden nicht zu verheimlichen, Löffler wusste sehr früh, wie man das Problem lösen wollte, und hat natürlich Dix darüber berichtet. Zitator 2/ Löffler "Es war das ein noch nie dagewesener Fall, ein Kunstwerk zu erwerben, und ein Zeichen der Wertschätzung für das Kunstwerk wie den Schöpfer. Otto Dix war tief gerührt."31 Zitator 1 "...Zur Verhandlungstaktik mit Dix: zunächst auf die Schwierigkeiten der Devisenlage hinweisen, an seine Verbundenheit mit Dresden erinnern und 350 000 DM West vorschlagen oder dazu den Rest in DDR-Mark." 32 O-Ton Rudert Hier ein Brief der zeigt, die haben um jeden Tag gekämpft, um eine Lösung zu finden. Zitator 1/Bachmann Dresden 24. Juli 1968 "Sehr verehrter lieber Herr Professor! Eine sehr schmerzhafte Zahnbehandlung ....zwing(t) mich, die vorgesehene Reise zu ihnen zur Unterzeichnung des Vertrages in den August zu verschieben. Bitte haben Sie dafür Verständnis... Wir freuen uns sehr, dass wir nun bald die Angelegenheit zum Abschluss bringen können und danken Ihnen noch einmal recht herzlich für Ihr großzügiges Entgegenkommen. Mit freundlichen Grüßen, auch an Ihre liebe Frau, Dr. Manfred Bachmann, Generaldirektor" 33 kurze Kapitelzäsur/Musik Autorin Währenddessen erörterte man die Frage, woher bis zum Jahresende 1968 500 000 D-Mark kommen sollten. Es reichte ja nicht, Museumsbestände zum Verkauf anzubieten, man musste sie auch rechtzeitig loswerden. Für solche Fälle gab es die Intrac-Handelsgesellschaft mbH- eine Vorläuferin der KoKo des Alexander Schalck Golodkowski: Sie gewährte den Dresdner Kunstsammlungen einen Kredit - zu einem Zinssatz von 8 Prozent. O-Ton Rudert Der eine Strang der Konstruktion war die Geldbeschaffung über die Intrac, und die Verkäufe der Kunstwerke liefen auch nicht über die Kunstsammlungen direkt, sondern die stellten sie zur Verfügung und die liefen über den sogenannten VEH (Volkseigenen Handelsbetrieb) Antiquitäten Berlin, der Kontakte hatte zu westlichen Händlern, die gezielt angesprochen worden sind. Das ist die Abrechnung: Insgesamt wurden durch die Verkäufe 533 000 DM erwirtschaftet. Autorin Für 500 000 DM Kredit von der Staatlichen Handelsgesellschaft Intrac mussten die Dresdner Museen Wertgegenstände für 533 000 DM veräußern. Nutznießer waren neben der Intrac und dem Staatlichen Antiquitätenhandel vor allem die westlichen Kunsthändler. Das wertvollste Stück, das Prunkrapier des Sächsischen Kurfürsten, versteigerte Sotheby`s am 23. März 1970 für 21 000 Pfund - das 16-fache des Dresdner Verkaufspreises. Das Prunkrapier befindet sich heute im Metropolitan Museum New York. (kurze Kapitelzäsur/Musik) Zitator Dix und Zitator 1 24. September 1968. Vertrag zwischen den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden/DDR (als Käufer) und Herrn Professor Otto Dix (als Verkäufer) 34 O-Ton Rudert Das ist der Kaufvertrag, der kurz und lapidar, aber absolut wasserdicht den Verkauf regelt. Bachmann und Löffler sind zusammen nach Hemmenhofen gefahren und haben den Vertrag unterzeichnet. Und der Preis, wenn man den im Kontext sieht, geht der völlig in Ordnung, wenige Jahre später hat ja Stuttgart das andere große Triptychon Die Großstadt für eine Million DM erworben, 1971 oder 72, also für das Doppelte... Und er hat nicht nur das Bild an uns verkauft, er hat auch eine nennenswerte Schenkung von Arbeiten auf Papier und ein Gemälde draufgelegt. Zitator Dix 44 Blätter und 1 Gemälde! O-Ton Hering: Otto Dix hat eine richtige Wunschliste bekommen, als 68 der Ankauf des Triptychons anstand, der Akzent lag wieder auf den 20er-Jahren, auf den Zeichnungen des 1. Weltkrieges. Autorin Michael Hering, Dix-Experte der Dresdner Graphischen Sammlungen, hält behutsam ein besonders Blatt aus der Dix` Schenkung hoch, eine aquarellierte Federzeichnung von 1923: Die entstellten Gesichter zweier Kriegskrüppel - ein Werk, das Dix bei sich zu Hause in Hemmenhofen gehütet hatte... O-Ton Hering (Atmo: Ich zeig ihnen das mal, die Kriegskrüppel liegen hier.) Also das heißt, man muss das Blatt ja anders nennen: "Die Erinnerung an die große Zeit". Otto D. hat hinten einen Vermerk gemacht nicht für den Verkauf ... Diese Dinge sind singulär, das macht man auch nur einmal.... kurze Kapitelzäsur/Musik bis zum Ende Zitator Dix: Betrag von DM 500 000 am 31. Dezember 1968 erhalten. Autorin Am 19. Juli 1969 erlitt der Maler seinen zweiten Schlaganfall. Sechs Tage später starb Otto Dix im Krankenhaus in Singen am Hohentwiel. Käthe König starb 1981 in Radebeul bei Dresden, Martha Dix 1985 in Hemmenhofen. Von Dix vier leiblichen Kindern leben noch zwei: Katharina König und Jan Dix. Unter den am 3. November 2013 in der Wohnung des Kunsthändler-Sohnes Gurlitt aufgefundenen Kunstwerken befinden sich nach derzeitigem Kenntnisstand vier Arbeiten von Otto Dix. In der Galerie Neue Meister des Albertinums zieht das Kriegstriptychon heute jedes Jahr Tausende Besucher an. O-Ton Dix /Zitator Dix Ich habe leider nicht das Glück gehabt, die Galerie als junger Mensch zu sehen, hab sie erst gesehen, wie ich 20 Jahre alt war. Aber das müsste doch kolossal erzieherisch sein für Menschen, diese Meisterwerke zu sehen... man müsste doch einen unauslöschlichen Eindruck mitnehmen, das man auf einer Leinwand so ein Ding malen kann... denke ich mir.... Absage Kriegstriptychon Die zwei Welten des Otto Dix Sie hörten ein Feature von Ulrike Bajohr Es sprachen: Hermann Beyer, Renate Fuhrmann, Rainer Delventhal, Volker Niederfahrenhorst und Agnes Pollner Ton und Technik: Gunther Rose und Beate Braun Regie: Axel Scheibchen Redaktion: Karin Beindorff Eine Produktion des Deutschlandfunks 2014 1 Dix am 26.10.1967, Brief an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Archiv SKD 2 Gespräch mit Freunden am Bodensee, 1963, LP: Otto Dix spricht über Kunst-Religion-Krieg. Erker-Verlag Sankt Gallen/Nr. 30-187 3Kira van Lil, Ein perfekter Skandal. Der "Schützengraben von Otto Dix zwischen Kritik und Verfemung. Aus: Das verfemte Meisterweg. Schicksalswege moderner Kunst im 3. Reich. Hg. Uwe Fleckner, Akademieverlag, S. 54/6 Zeilen 4 Radio DDR, 6.12. 1980 5 Gespräch mit Freunden am Bodensee, 1963, LP: Otto Dix spricht über Kunst-Religion-Krieg. Erker-Verlag Sankt Gallen/Nr. 30-187 6 Handschriftlicher Lebenslauf, um 1924. Zit. Nach Dix-Archiv, http://www.otto-dix.de/archiv/erinnerungen/lebenslauf 7 Dix an Käthe König, Archiv Kempe 8 Otto Dix im Gespräch mit Horst Jähner 1966, in: Neues Deutschland, zit nach D. Schmidt: Otto Dix im Selbstbildnis, Dresden 1978 9 Richard Müller, Erinnerungen, Archiv Frank Kempe 10 Richard Müller: Spiegelbilder des Verfalls in der Kunst, Dresdner Anzeiger 29. September 1933, zit. nach K.v.Lil, s. Anm. 3 11 Kommentar zum Bild in der Ausstellung "Entartet" Dresden, zit. nach K.v.Lil, s. Anm. 3 12 Zeitdokumente. Otto Dix 1963, CD, Archiv Deutschlandfunk 13 "Otto Dix- Variationen zu einem Thema". Fernsehen der DDR, 1.12.1966, DRA /Videodokument AD 9782 14 Ebd. 15 Zit. nach "Otto Dix. Das Auge der Welt" Film von Reiner E. Moritz, 1989. DVD-Cat.-Nr. PAL 100640 16 Zit. Nach Diether Schmidt, Otto Dix im Selbstbildnis, Henschel Verlag 1981, S. 261 17 "Otto Dix- Variationen zu einem Thema". Fernsehen der DDR, 1.12.1966, DRA /Videodokument AD 9782 18 Fritz Löffler, Brief an Uhlemann, Sekretär der SED-Stadtleitung Dresden, am 5.4.1968. Quelle: Archiv der SKD 19 "Otto Dix- Variationen zu einem Thema". Fernsehen der DDR, 1.12.1966, DRA /Videodokument AD 9782 20 Diether Schmidt. Otto Dix im Selbstbildnis. Henschel Verlag 1981, S. 255 21 Die Zeit, 2. Dezember 1966 22 Fritz Löffler an Uhlemann, Sekretär der SED-Stadtleitung Dresden, am 5.4.1968. Quelle: Archiv der SKD 23 Deutschlandsender, 27. November 1966 24 "Otto Dix- Variationen zu einem Thema". Fernsehen der DDR, 1.12.1966, DRA /Videodokument AD 9782 25 Ebd. 26 Uhlemann, Sekretär der SED-Stadtleitung, an Bachmann, 8.11.1967, Quelle: Archiv SKD 27 gefordert in einem Eilbrief von Dix nach Dresden am 29. Januar 1967, Quelle: Archiv SKD 28 Aktennotiz vom 6. Februar 1968, Quelle: Archiv SKD 29 Ebd. 30 Ebd. 31 Brief Fritz Löffler an Bachmann, 22.2. 1982. Quelle: Archiv SKD 32 Aktennotiz vom 6. Februar 1968, Quelle: Archiv SKD 33 Brief Bachmann an Dix, 24.7.1968, Archiv SKD 34 Kaufvertrag vom 24.9.68, Archiv SKD