COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport 9.7.2012, 13.07 Uhr Baudrama am Stuttgarter Schauspielhaus Autor: Michael Brandt Redaktion: Heidrun Wimmersberg ___________________________________________________ Premierenatmo vor Spielbeginn Stuttgart: im Herz von Schwaben, dort, wo die Menschen angeblich alles können außer Hochdeutsch, sind plötzlich ganz andere Töne zu hören: Ja ich finde es einfach eine Katastrophe. Es ist im Kleinen, was wir im Berliner Flughafen im Großen haben. Zu hören waren diese Worte ausnahmsweise nicht auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof, wo sich die Menschen nur sehr langsam daran gewöhnen, dass er nun doch zu Stuttgart 21 werden soll, sondern auf einer Theaterpremiere im Stuttgarter Schauspiel, per Luftlinie gut 300 Meter vom Bahnhof entfernt. Es ist Premierenabend, das letzte Stück der Theatersaison, die "Winterreise" von Elfriede Jelinek, beginnt in wenigen Minuten. Auf den ersten Blick ist es ein ganz normaler Abend in einem ganz normalen Theater. Aber auf den zweiten Blick fällt auf, dass einiges ganz anders ist. Die Sitze zum Beispiel, auf denen die rund 650 Zuschauer sitzen, sind keine herkömmlichen Theatersitze, sondern Plastikstühle, die mit ein paar Holzlatten provisorisch am Boden festgeschraubt sind. Und zu lesen ist auf allen Stühlen der Schriftzug: "Dieser Stuhl ist eine Ersatzlösung bis Sommer 2012" Auf der Bühne thematisieren 6 Schauspieler und 3 Kinder das schwierige Verhältnis von Elfriede Jelinek zum Zyklus "Die Winterreise" von Wilhelm Müller und Franz Schubert: Lied "Der Leiermann" aus Schumanns Winterreise, schräg vorgetragen von 3 Kindern In dem Stück geht es um den Topos des einsamen Wanderers, der bei Schubert und Jelinek immer wieder eine Rolle spielt. Es geht um Jelineks parkinsonkranken Vater, es geht um die kleine Elfriede, die nach dem Wunsch ihrer Eltern Geigerin werden sollte. Keine leichte Kost also, aber die Zuschauer halten die zwei Stunden ohne Pause trotz der unbequemen Stühle durch, sie sind anschließend sogar begeistert und belohnten das Ensemble mit 6 Vorhängen. anschwellender begeisterter Applaus nach der Premiere, - ab hier mit Atmo aus dem Foyer nach dem Stück unterlegt Vielleicht ist das schwierige Stück, mit dem sich die Theatersaison in Stuttgart dem Ende zuneigt, auch ein wenig ein Symbol für die schwierige Situation des Theaters selbst. Und diese Schwierigkeit hat zunächst mal nichts mit Kunst zu tun, sondern ganz trivial mit den Stühlen, ihrer Beschriftung und den Folgen: Der Hintern tut weh bei zwei Stunden ununterbrochener Aufführung Die Stühle sind aber nur das sichtbarste Zeichen für die Situation, die einige sogar einen Theaterskandal nennen. Ein Skandal, der sich in den vergangenen beiden Jahren entwickelt hat und der in diesem Frühjahr in seinem vollen Ausmaß sichtbar geworden ist. Und er ist natürlich auch nach der Premiere Gesprächsthema im Foyer: Die offiziellen Stellen, das heißt speziell die Regierungsstellen sind nicht in der Lage so ein Bauprojekt durchzuführen, wie sich das gehört. Da fehlt eine ordentliche Projektleitung. Und wenn man dass dann noch mischt damit, dass der Billigste den Zuschlag kriegt und da muss man sich nicht wundern, dass das nicht funktioniert / und das Schlimme ist, dass das alles mit unseren Steuergeldern funktioniert und das keine die Verantwortung übernimmt und sagt, OK, wir haben Mist gebaut. Mist gebaut wurde bei der Renovierung des Schauspielhauses, - und zwar gründlich. An dem modernen Haus, das in den 50-er Jahren neben der Stuttgarter Oper im Schlossgarten gebaut wurde, hatte nach fünf Jahrzehnten der Zahn der Zeit heftige Spuren hinterlassen, so dass eine grundlegende Sanierung anstand. Ziel der Renovierung sollte sein, so hieß es im Sommer 2010, die Sichtverhältnisse auf die Bühne und die Akustik im Zuschauerraum zu verbessern. Außerdem sollte die Bühnentechnik und das Foyer in einen zeitgemäßen Zustand versetzt werden. (Premierenatmo endet) Der Plan, der damals verkündet wurde, hieß: Nach einem Jahr, spätestens im Herbst 2011, soll das Ensemble unter Intendant Hasko Weber in die neu renovierte alte Heimat, das große Haus zurückkehren, so Ingrid Trobitz, Sprecherin am Schauspiel Stuttgart: Wir sind das erste Mal aus dem Haus im Sommer 2010. Am Ende der Spielzeit haben wir hier das Haus ausgeräumt, sind in die Interimsspielstätte umgezogen, die wir vorher in 3 Monaten eingerichtet hatten. Und sind komplett das gesamte Schauspiel Stuttgart ist in die Türlenstraße umgezogen mit der Prognose, dass wir ein Jahr später im Herbst 2011 das Haus würden wieder eröffnen können. Tatsächlich aber wurde der erste Umzug im Sommer 2010 zum Beginn einer traurigen Odyssee, die noch immer nicht beendet ist. Zuerst verschob sich der Zeitplan für die Rückkehr. Es hieß, dass das Haus nicht im Sommer 2011, sondern frühestens im Herbst fertig sein werde. Woraufhin Hasko Weber beschloss, erst im Februar 2012 in den renovierten Bau einzuziehen. Dieser Plan wurde dann ja auch umgesetzt, nur leider nicht mit de gewünschten Ergebnis, dass dann die Renovierungen tatsächlich komplett abgeschlossen sind. In diesem Februar also sollte dann endlich die feierliche Neueröffnung mit Schillers "Don Karlos" stattfinden. Es wurde aber eher ein Trauerspiel als ein historisches Drama. Denn es zeigte sich, dass die 25-Millionen Renovierung zwar einiges besser gemacht hatte, aber auch vieles schlechter. Atmo leeres Schauspielhaus, Bühnengeräusche im Hintergrund Intendant Hasko Weber geht durch den Zuschauerraum, setzt sich auf einer der 650 Plastikstühle und berichtet, dass die Stühle nur der Anfang waren. Die Bestuhlung war eines der großen Signale, dass auf der Baustelle etwas nicht in der richtigen Richtung läuft. Im Dezember hat der Einbau der neue Stühle beginnen, wurde dann aber wieder abgebrochen, weil sich herausgestellt hat, dass bei der Einhaltung der ehemaligen Stufenmaße in Verbindung mit de neuen Stühlen die Fußfreiheit für die Zuschauer in einem nicht tolerierbaren Sinne zu eng war. Mit anderen Worten: Die Stuhlreihen stehen auf Stufen, die sich quer durch den Zuschauerraum ziehen. Die Kombination aus den geplanten Stühlen und der Breite der Stufen führte aber dazu, dass die Zuschauer im Staatstheater die Beinfreiheit hatten wie in der Touristenklasse eines Billigfliegers. Die neuen Sitze wurden also umgehend entfernt, stattdessen wurden die Provisorien montiert, die die Zuschauer heute ihr Hinterteil spüren lassen. Und die Geschichte mit der Bestuhlung war, wie sich herausstellte, nur der offensichtlichste von einer langen Liste von Mängeln, die nach und nach ans Rampenlicht kamen. Es gibt im Zuschauerraum eine zweite beachtliche Frage zu klären, nämlich die der sogenannten Beleuchtungsrinnen. Das sind Öffnungen in den Seitenwänden, durch die Scheinwerfer auf die Bühne reichen sollen. Die Scheinwerfer reichen aber nicht nur auf die Bühne, sondern die Beleuchtungsrinnen ragen auch - anders als geplant - so weit in den Zuschauerraum, dass die Zuschauer auf den seitlichen Plätzen nur noch einen Teil der Bühne sehen. Und die Bühne ist das nächsten Thema: Die neue Drehbühne funktioniert, aber nur manchmal und dabei rattert sie wie ein alter Traktor. Hans Werner Schmid ist der Maschinenmeister im Schauspielhaus und ist dafür verantwortlich, dass die Bühne selbst, die Vorhänge, Soffitten, Aufzüge und Kulissen das machen, was Bühnenbilder und Regisseur wollen. Aber daran sei im Augenblick nicht zu denken, sagt er, während er empört vor dem Computer steht, mit dem sich die Bühne eigentlich bewegen lassen sollte: Die Drehbühne ist ein Fall für sich, weil sie erstens nicht so genutzt werden kann, wie sie genutzt werden sollte und wie es die Anlage anbietet. Die Anlage bietet es ja an, aber sie kann's nicht. Obendrein ist der Bühnenboden seit der Renovierung voller breiter Spalte und zentimeterhoher Stufen, die im Augenblick mit Klebeband verdeckt sind, damit die Stolpergefahr sinkt. Aber wenn sich die Bühne bei einigen Inszenierungen bewegt, müssen die Schauspieler selbst aufpassen, damit sie nicht plötzlich mit verstauchtem Knöchel auf dem Boden liegen. Ein Desaster, meint der altgediente Bühnentechniker: Wir improvisieren ja sowieso. Theater ist ja Improvisation. Aber die feste Maschinerie, die hier eingebaut ist, die sollte funktionieren. Da improvisiert man nicht. Das muss funktionieren und damit gut. So sehen wir's wenigstens. Alles andere improvisieren wir schon. Das ist ja klar. Denn wir wissen ja nicht, was die Künstler wollen. Das ist ja das Spannende. Wenn der sagt, der möchte gerne rauf und runter und auf und ab und drehen und fahren. Das improvisieren wir schon. Aber wenn das nicht klappt, dann wird es spannend, dann ist auch der Künstler unzufrieden. Mit anderen Worten: Am Bau wurde gepfuscht, und zwar gründlich. Mit Plastikstühlen, einer Bühne, die manchmal sogar während der Vorstellung macht was sie will, mit akustischen Löchern im Zuschauerraum ist das Schauspielhaus zurzeit im Grunde nicht bespielbar. Das Provisorium, in dem bis Weihnachten gespielt wurde, gibt es aber nicht mehr und deshalb spielt das Ensemble seit Februar trotz aller Einschränkungen für Künstler und Zuschauer in dem halbfertigen großen Haus. Hasko Weber: und führt jetzt zu einer Situation, dass wir Ende Juli das Haus wieder verlassen, nochmal eine neue Interimsspielstätte eröffnen und damit das Haus wieder als Baustelle freigeben. Der früheste Arbeitsbeginn ist der 1. August, ich hoffe, dass es da losgeht, weil der früheste Termin für ein Rückkehr ist der März 2013. Und sollten die Arbeiten nicht konzentriert losgehen, so sehe ich diesen Zeitplan als nicht haltbar. Die neue Interimsspielstätte, die jetzt gefunden wurde, ist die Probenbühne der Oper, die allerdings weit ab vom Schuss im Stuttgarter Norden steht. (Atmo Ende) Die Beteiligten stehen im Augenblick jedenfalls vor einem gewaltigen Scherbenhaufen, vor einer Katastrophe, vor einem Theaterskandal. Die Leidtragenden sind dabei vor allem die Künstler. Die spannende Frage ist aber, wer die Verantwortung trägt. Da das Staatstheaters hälftig dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart gehört, wurde der Umbau von der Staatlichen Hochbauverwaltung, die zum Finanzministerium gehört, geplant. Ausgeführt wurde der Bau von verschiedenen Bau- und Spezialunternehmen für Bühnentechnik und es wird wohl darauf herauslaufen, dass Gerichte klären müssen, wer die Verantwortung für die Mängel und für die Verzögerung trägt, so der zuständige Mann im Finanzministerium Ministerialdirektor Wolfgang Leidig: Es wird Prozesse geben, wir müssen mal sehen, wie der Architekt zum Beispiel reagiert, wir müssen mal sehen, wie die betroffenen Firmen reagieren, die Murks geliefert haben. Aber wir gehen davon aus, dass wir die in Regress nehmen und auch nehmen können. Dennoch rechnen alle damit, dass die Baustelle neues Geld verschlingen wird, obwohl schon die erste Renovierung mit rund 25 Millionen Euro teurer als erwartet war, so Finanzminister Nils Schmid: Wir werden nicht umhin kommen, diese zusätzlichen Mittelbei der nächsten Haushaltsberatung 2013/2014 vom Landtag zu erbitten. Es ist aber eine gemeinsame Aufgabe beider Träger des Staatstheaters, die Mittel zu Verfügung zu stellen. Das heißt, wir werden auch mit der Stadt Stuttgart über das Thema reden müssen. Inzwischen beschäftigen sich also nicht nur Juristen, sondern auch Politiker mit dem Thema. Gestritten wird im Verwaltungsrat des Schauspiel, wo sich die Stadt Stuttgart und die Hochbauverwaltung des Landes gegenseitig die Schuld zuschieben, gestritten wird aber auch im Landtag, wo die Opposition der neuen Landesregierung vorwirft, die Anzeichen für das Desaster zu spät erkannt zu haben. Sabine Kurz, die kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion stellt etwa fest: Es gibt wohl mehrere Schuldige. Es sind natürlich Fehler auf Seiten der Formen gemacht worden. Aber an kann auch die beiden beteiligten Ministerium nicht aus der Verantwortung entlassen. Sie haben die Dynamik des Themas unterschätzt und sich nicht rechtzeitig darum gekümmert. Diese beiden Ministerien sind das Finanzministerium mit der Hochbauverwaltung und das Ministerium für Wissenschaft und Kunst, das fürs Theater zuständig ist. Ministerin Theresia Bauer entgegnet der Opposition, dass der Beginn der Umbaumaßnahmen ja noch in Zeit von Schwarz-Gelb zurückreicht: Die ersten Verzögerungen, die haben wir wirklich geerbt. Da war, glaube ich, schon vieles nicht im Lot als wir anfingen. Wir haben relativ bald Problemrückmeldungen erhalten, dass der Zeitplan nicht zu halten ist und wir haben dann auch interveniert. Also die Anfänge gehen sicher in die Zeit vor unserer Regierungsübernahme zurück. Ich möchte aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass wir auch im Herbst noch stärker hätten eingreife müssen. Und wir unterziehen uns jetzt der Mühe sowie intern im Ministerium für Finanzen als auch durch eine Prüfung des Rechnungshofes sehr genau die Fehler zu analysieren und darauf dann auch Konsequenzen zu ziehen. Und dabei ist eben auch nicht auszuschließen, dass in der Staatlichen Hochbauverwaltung nicht alles perfekt lief. Es dürfte kein Zufall sein, dass seit einiger Zeit ein Mitarbeiter des Bauamtes aus Karlsruhe einen Blick auf den Stuttgarter Scherbenhaufen wirft und dass zudem ein externer Kostencontroller zugezogen wurde. Denn klar ist schon jetzt, dass auch die Kosten für die Renovierung der Renovierung wieder in die Millionen gehen dürften. Die aber juristischen und die politischen Scherben sind nur ein Teil des Problems. Der andere und möglicherweise weit wichtigere Teil ist, ist der künstlerische. Denn natürlich hat das dreifache Provisorium die künstlerischen Möglichkeiten des renommierten Stuttgarter Schauspiels beeinträchtigt, so Hasko Weber: Wir haben jetzt das dritte Interimsjahr. Wir eröffnen zum dritten Mal eine Spielzeit an einem neuen Ort. Wir fangen zum dritten Mal unser Repertoire von vorne an. Das ist das Schwierigste an der Sache, weil natürlich die Planung hier auch gewesen wäre, dass wir ein paar Stücke mit in die neue Saison nehmen, damit wir wieder ein Repertoire aufbauen. Wir sind ein Riesentheater, wir haben im Moment 5 Stücke. Da muss nur mal jemand krank werden, dann haben wir schon ein Riesenproblem. Zum Vergleich, das Deutsche Theater hat - glaub ich - 35 Stücke im Repertoire. Es stellt sich über die Beeinträchtigungen im Schauspiel selbst hinaus die Frage, ob durch den Bauskandal am Schauspiel auch das Stuttgarter Staatstheater insgesamt mit seinen drei Sparten Oper, Ballett und Schauspiel an Glanz und Strahlkraft verliert. Bis vor 5 Jahren hagelte es nur so Auszeichnungen für die Häuser: 2006 war Stuttgart gleichzeitig Theater und Opernhaus des Jahres. Atmo Foyer Im Foyer sitzt die Theaterkritikerin Ulrike Kahle-Steinweh, die die Stuttgarter Szene unter anderem für das Fachblatt "Theater Heute" verfolgt. Sie stellt nach der "Winterreise"-Premiere fast überrascht fest, dass die künstlerische Qualität zumindest bislang nicht unter dem baulichen Dilemma gelitten hat. Das gelte zunächst für das erste Provisorium in der Türlenstraße, in der bis Weihnachten gespielt wurde. In der Türlenstraße gab es ja ganz viele verschiedene Raummöglichkeiten und ich denke, dass der Zwang mit so verschiedenen Räumen umzugehen, nicht so viele Umbaumöglichkeiten zu haben, das hat sicher viel locker gemacht in den Köpfen. Und ich denke der Intendant Hasko Weber und sein Hausregisseur Volker Lösch, die sind ja spontan, die können damit umgehen und habe sicher das Beste daraus gemacht. Aber auch im halbfunktionierenden Schauspiel, wo seit Februar gespielt wird, habe die Qualität nicht gelitten: Die Aufführungen, die jetzt trotzdem im großen Haus stattfinden, die sind ja keineswegs schlechter geworden, das merkt man überhaupt nicht Es sind unheimliche technische Schwierigkeiten, für die Techniker vor allem. Die Künstler denken vielleicht ein bisschen, huhu, hoffentlich geht's heute, hoffentlich dreht sich die Bühne heute, hoffentlich geht der eiserne Vorhang heute. Also künstlerisch sind da keine Abstriche gemacht worden. Und der Ensemblegeist, für den wird's gut sein: Notzeiten schmieden zusammen. Notzeiten haben aber offenbar auch das Schauspielensemble und das Publikum zusammengeschmiedet, das Hasko Webers Truppe bislang immer die Treue gehalten hat. Also das ist sicher schwierig, mit dieser Situation zu leben, aber das was die Kompagnie hier macht, ist ja einmalig. Man merkt ja jetzt gar nicht, dass da irgendwelche Improvisationen notwendig sind / Wir waren sehr begeistert von den Provisorien, weil das war ganz, ganz tolle Stimmung war dort / Übrigens möchte ich noch ergänzen, dass die ganze Geschichte durch die offene Kommunikation von Hasko Weber sehr positiv beeinflusst wurde. Er hatte immer wieder die Ansprache zu uns gefunden, um zu sagen, wo es klemmt, wo es brennt. Theaterkritikerin Kahle-Steinweh analysiert allerdings, dass das alles bis jetzt nur mit einer gewaltigen Kraftanstrengung möglich war. Und die Kraft kam zumindest teilweise aus der Hoffnung, möglichst bald wieder im großen Haus zu spielen. Es sei also schon die Frage, ob das Ensemble noch einmal die Kraft aufbringt, an einer weiteren neuen Spielstätte, der Probebühne der Oper, von vorne anzufangen. Zumal Intendant Hasko Weber im August 2013 ans Weimarer Nationaltheater wechselt und Armin Petras vom Berliner Maxim-Gorki Theater nach Stuttgart kommt. Aber in diesem Fall stellt Weber selbst fast erstaunt fest, dass die Krise von außen eher dabei geholfen hat, dass Ensemble bis zum Schluss der Intendanz zusammenzuhalten: und immerhin ein Ensemble von fast 40 Spielern in eine erst mal abschließende Saison geht, wo es ja durchaus auch Fliehkräfte geben kann, weil es eben Perspektiven für einzelne Spieler gibt woanders weiter zu machen, kompakt zusammensteht und die Aussagen, wir machen das gemeinsam, auch eine ist, die es im Haus tatsächlich gibt. Und das, finde ich, ist auch ein sehr positiver Aspekt. Heute Abend wird im Schauspiel Stuttgart übrigens "Das Spiel ist aus" von Jean-Paul Sartre gegeben, morgen endet dann die Theatersaison 2011/2012 und das Ensemble zieht aus dem frischrenovierten Schauspielhaus wieder aus. Und vor den Besuchern liegt mal wieder ein Sommer, in dem sie sich fragen, wie weit es mit den schwäbischen Tugenden noch her ist, wenn es zwei Ministerien, ein Planungsbüro, diverse Architekten und noch einmal so viele beauftragte Handwerksbetriebe noch nicht einmal schaffen, ein Theater zu renovieren. Atmo weg 1