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Wenn, dann gehe ich mit Freunden mal eine Kugel zu schieben und danach trinken wir ein Bier und haben Spaß. Atmo D7/M53 Auf unsere Kegeltruppe ein dreifaches gut Holz. Prost, zum Wohl O-Ton Freizeitkegler D6/M70 Das kann ich mir nicht vorstellen, dass das jetzt wirklich ein Leistungssport sein soll. Da nimmt man ein bißchen Anlauf, bückt sich, schiebt die Kugel und das war's. Wo ist da die Leistung? O-Ton Saskia Seitz D3/M28 Ich habe viele Fußballer als Kumpels und dann heißt es: Ah, Kegeln kein Sport und dann habe ich sie mal mitgenommen, weil immer, ja da bekommt man ja keinen Muskelkater und da schwitzt man nicht und dann haben sie wirklich mal 50 Wurf am Stück gemacht, die konnten am nächsten Tag nicht mehr laufen, weil sie wirklich solch einen Muskelkater hatten, weil es halt ganz andere Muskulaturen beansprucht wie z.B. beim Fußball, und seit dem habe ich eigentlich relativ Ruhe. Autorin Wer hier die Männer in Verlegenheit gebracht hat, ist Saskia Seitz, mit 20 Jahren Deutschlands jüngste Kegelnationalspielerin. Sie weiß, wovon sie spricht. O-Ton Saskia Seitz D3/M30 Mein Opa hat ich mich schon mit 2 Jahren auf die Kegelbahn geschleift. Seit dem bin ich da eigentlich hängen geblieben. Autorin Vom 14. bis 23. Mai spielt Saskia Seitz in der baden-württembergischen Gemeinde Dettenheim um den WM-Titel. Die deutschen Frauen wurden das letzte Mal 2004 Weltmeister, die Männer ein Jahr später. Diesen besonderen Moment hat auch Marcus Gerdau miterlebt. Einer der Routiniers im Team. O-Ton Marcus Gerdau D3/M88 (...) Es gibt nicht schöneres, als wenn man so einen wichtigen Titel gewinnt und dieses Gefühl ist unbeschreiblich (...) und das ist auch etwas, was einem niemand nehmen kann. Atmo D5/M27 Und darauf unser Sportgruß ein einfach kräftiges gut Holz, blenden in D1/D8 Nationalhymne Deutschland O-Ton Sabrina Walter D3/M18 (...). Für mich ist es eine absolute Ehre, in der Nationalmannschaft zu spielen. Ich denke, das wird jedem Sportler so gehen, der mal den Adler auf seiner Brust tragen darf. O-Ton Ursula Zimmermann D3/M50 Wenn man das erreichen kann, Nationalmannschaft zu spielen, ist das ein highlight. D3/M49 (...) Egal jetzt was für eine Sportart man macht, und wenn es Tauziehen ist oder sonst was, das ist einfach das höchste was ein Sportler in seiner Sportart erreichen kann. O-Ton Daniela Kicker D1/M16 (...) Ich genieße dieses Augenblick immer, weil wenn man dann eben draußen steht mit dem Deutschlandanzug und es wird die Hymne gespielt, also das ist dann schon noch mal der extra Kick (...). Das ist ein besonderes Gefühl auch als Sportler. (...) trotz Breitensport. Autorin Daniela Kicker ist zur Zeit die erfolgreichste deutsche Keglerin. Seit 13 Jahren trägt sie das Nationaltrikot. Ihre WM Bilanz als Einzel- und Mannschaftsspielerin ist herausragend: 12x Gold, 6x Silber und 2x Bronze. Auch in der Bundesliga zählt sie zu den Besten. Ihr Verein Victoria Bamberg ist seit 10 Jahren Deutscher Meister in Folge. Eine Serie, von der viele Sportler nur träumen können. Aber dahinter steckt natürlich auch harte Arbeit. O-Ton Daniela Kicker D1/M21 (...) Ich trainiere 3-4 x in der Woche auf der Kegelbahn, und dann natürlich nebenbei noch im Ausdauerbereich gehe ich noch zum Laufen. (...) Wir sind ja ein Ausdauersport, und von dem her braucht man eben eine gewisse Grundlage. (...) In der Spitzenklasse, an der Weltspitze kann man sonst gar nicht mitspielen. Autorin Neben den Deutschen kommen die besten Kegler aus Osteuropa: Ungarn, Rumänien, Slowenien und Kroatien sind die großen Konkurrenten im Kampf um den WM-Titel. Daher ist es kein Zufall, dass bis 1990 fast alle Weltmeisterschaften in den einstigen Ostblockstaaten ausgetragen wurden. Vor allem im ehemaligen Jugoslawien ist der Sport besonders populär. Im Fußball- und Handballverrückten Kroatien wurde sogar schon mal ein Kegler Sportler des Jahres. Einer, der das beurteilen kann, ist Fred Altmann, Präsident des Bayerischen Sportkeglerverbandes. O-Ton Fred Altmann D1/M60 Dieser Sport wurde dort gefördert in den Systemen, (...) aber es ist immer noch heute so, dass jeder Titel von diesen Regierungen irgendwo honoriert wird, was bei uns auch nicht der Fall ist. M61 Ich kann mich z.B. sehr gut erinnern an die Jahre 86, war in München Weltmeisterschaft, und damals gab es einen Weltmeister Tscherny, ein Ungar, der war dann Staatsoffizier, Staatsangestellter, hat einen hohen Titel bekommen. Autorin Trotz der Popularität in Osteuropa: Kegeln war und ist eine Randsportart. Seit fast 75 Jahren schon bemüht sich der Welt-Verband vergeblich darum, olympisch zu werden. 1936 in Berlin gehörte das Spiel mit der schnellen Kugel immerhin zum Kreis der Demonstrationssportarten. Genutzt hat es nichts. Im Gegensatz zum großen Bruder Bowling ist Kegeln für das Internationale Olympische Komitee noch nicht einmal eine anerkannte Sportart. Wohl auch deshalb, weil in den USA und einigen asiatischen Ländern Bowling ein Profisport ist. Dort kennt man das Kegeln kaum noch, obwohl es doch der Vorläufer vom Bowling ist, so Fred Altmann. O-Ton Fred Altmann D1/M54 (...) Wenn wir in die Geschichte zurückblättern, wie in Amerika von Deutschen Auswanderern dort Kegeln eingeführt wurde und Kegeln dann mit der Prohibition verboten wurde unter schwersten Strafandrohungen, (...) und die Amerikaner die haben es dann geschickt gemacht, die haben also aus diesem Kegeln Bowling gemacht, haben eine Kegel mehr aufgestellt und dann war es plötzlich Bowling und dann war es wieder erlaubt dort. Autorin Dem Kegeln fehlt im IOC die Lobby, weil es weltweit nicht so verbreitet ist. Dieter Prenzel, Präsident des Deutschen Kegler- und Bowlingbundes, DKB. O-Ton Dieter Prenzel D7M58 (...) Im Kegeln bezieht sich ja fast alles nur auf dem Bereich Europa. Noch ein bisschen Südamerika, Brasilien, Argentinien und damit ist die Sache schon erledigt. D7/M62 Wir müssten daran arbeiten erstmal, dass noch mehr Länder in den Weltverband sich einschieben. M60 (...) Wir haben es allerdings geschafft, 2005, bei den nichtolympischen Sportarten bei den World Games dabei zu sein. M76 (...) Unser höchstes Ziel muss natürlich bleiben, olympisch zu werden. Autorin Um in diesen erlauchten Kreis aufgenommen zu werden, müsste der Kegelsport allerdings professionelle Strukturen bekommen. Und sich attraktive Regeln geben. Denn Spiele ziehen sich über mehrere Stunden hin. Das ist natürlich nur etwas für Hartgesottene. Neue Fans kann man so nicht gewinnen. Der DKB-Präsident hat das Problem längst erkannt. O-Ton Dieter Prenzel D7/M89 Am besten wir machen nur noch 40 Wurf pro Mann. Dass also ein Wettbewerb auch für den Journalismus, auch für die Öffentlichkeit brauchbar wäre, als wenn Sie da einen Spieler sehen, der 200 Wurf hintereinander spielt, der bewegt sich 1 Stunde und 20 Minuten (...) und da können Sie keinen mehr locken und die Zuschauer bleiben nun auch weg. (...) Um ins Fernsehen zu kommen, oder es in die Öffentlichkeit zu bringen, müssen wir versuchen, die Wettbewerbe kurz und attraktiv zu gestalten. Atmo D4/M11 auf der Kegelbahn, Kugel verfolgen bis 2:50 Autorin Möglicherweise würden dann auch mehr Sponsoren investieren. Die gibt es international und national kaum. Und so lässt sich mit Kegeln kein Geld verdienen. Höchstens für ein paar Gastspieler, die die Bundesliga-Spitzenklubs Victoria Bamberg und Rot-Weiß Zerbst aus Sachsen-Anhalt extra aus Osteuropa einfliegen lassen. Finanziert durch kleine Unternehmen aus der Region. Für den Rest geht es selbst in der Championsleague nur um eine dreistellige Prämie. Gekegelt wird aus Spaß an der Freude, aus Liebe zum Sport. Kegler sind Idealisten. Nationalspieler Marcus Gerdau. O-Ton Marcus Gerdau D3/M85 Man muss schon ein bisschen verrückt sein und vor allem auch leidensfähig, diese Fähigkeit muss man schon mitbringen, wenn man Kegler ist. (....) Kegler ist man halt mit ganzem Herzen, wenn man einmal Blut geleckt hat, kann man einfach nicht mehr aufhören. Atmo Kegel fallen um M4/M5 Kegel direkt und Maschinerie bis 2:00 Autorin In Deutschland mangelt es zudem an staatlicher Unterstützung. In Berlin z. B. gibt es keine Zuschüsse vom Landessportbund. Gelder bekommt der DKB lediglich von der Deutsche Sporthilfe. In diesem Jahr sind es 14.000 Euro, die direkt in die Nationalmannschaft fließen. Für den Breitensport bleibt kaum etwas übrig. Darunter leidet auch die Nachwuchsförderung. Inzwischen gibt es immer weniger Kinder und Jugendliche, die in einen Verein eintreten. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen Mädchen und Jungen von ihren Eltern zum Kegeln mitgenommen wurden. Nationalspieler Thomas Schneider erinnert sich: O-Ton Thomas Schneider D3/M95 (...) Mich haben sie mit dem Kinderwagen schon auf die Kegelbahn mitgezogen meine Eltern und wie ich das erste mal die Kugel in der Hand gehabt habe, das war einfach ein schönes Gefühl. Autorin Dieter Prenzel hat den Zeitenwandel im Kegeln hautnah mitverfolgt. Erst als Spieler, heute als Präsident. O-Ton Dieter Prenzel D7/M75 (...) Oma Opa kegelte, dann kegelten die Eltern und so vollzog sich das die Generation immer wieder und es kam der Nachwuchs aus den eigenen Familien, was heute nicht mehr der Fall ist. M84 Die Gruppen sterben wirklich langsam weg. M74 Kegeln ist ein Sport, den kann man machen bis ins hohe Alter. Man hat mal jemanden gefragt, wie lange er denn noch Kegeln will, der war schon über 80, der hat dann gesagt, na bis zum Ende. Autorin Und der Berliner Jugendsportwart Walter Scharf ergänzt sarkastisch: O-Ton Walter Scharf D5/M73 (...) Wenn ich sehe, was bei uns in den Kegelanlagen herumläuft, da sage ich immer U80 ist der größere Teil der da ist, (...) und es wird eines Tages so kommen dass wir sagen, Kegeln gibt es nicht mehr. Atmo Kegelbahn Autorin Walter Scharf arbeitet seit 1982 im Jugendbereich. Vor 10 Jahren konnte er noch aus dem Vollen schöpfen. Jetzt ist er froh, wenn wenigstens jedes Bundesland zwei Mannschaften zu den Deutschen Jugendmeisterschaften schicken kann. Durch Ferienkegeln und Tage der offenen Tür versuchen die Vereine, junge Menschen für das Kegeln zu begeistern. Ohne großen Erfolg. O-Ton Walter Scharf D5/M58 Wir haben hier sehr viel Schulklassen, die in der Woche kommen, aber die kommen, Kegeln, haben einen schönen fun Tag, aber ansonsten passiert leider nichts. Die bleiben auch nicht übrig. D5/M65 (...) Wir haben das Problem, man kann kein Geld verdienen dabei. Oder anders herum: Die Eltern müssen in die Tasche greifen, um ein Trikot zu kriegen oder sonst was, weil es in diesem keglerischen Bereich keine Sponsoren gibt. Autorin Mal eine Kugel schieben, reizt Jugendliche aber auch aus einem anderen Grund immer weniger. Im Gegensatz zu Funsportarten wird in Hallen gekegelt, die sich im Kellern befinden. Kein Tageslicht, keine Chance mal ein Fenster zu öffnen, schlechte Luft. Und das, wo Wettkämpfe oft ein ganzes Wochenende dauern. Damit lockst Du heute keinen Teenager mehr auf die Bahn. Diese Erfahrung macht DKB-Präsident Dieter Prenzel tagtäglich. O-Ton Dieter Prenzel D7/M73 (...) Wir bieten der Jugend auch zu wenig. (...) Wenn sie diese Funsportarten betreiben, sogar im Bowling, die Halle betreten, ist eine andere Ausstrahlung, als wenn sie zum Kegeln kommen. D7/M64 (...) Ich sage jetzt nur mal ein Stichwort (...) Eiche rustikal. (...) Es sieht eben nicht so aus wie eine moderne Sporthalle heute sein soll. Autorin Und trotzdem gibt es immer noch Jugendliche, die sich für`s Kegeln begeistern. O-Ton Collage Jugendliche D3/M95 (...) Wie ich das erste mal die Kugel in der Hand gehabt habe, das war einfach ein schönes Gefühl, weil das einfach dieses Konzentration, Koordination, das alles musst du mit einbringen, genau in einem Rhythmus, damit die Kugel vorne genau diese Präzision auch hat, damit du das triffst. D6/M10 (...) man kennt alle, kommt her, freut sich, redet miteinander, dann ist der Ehrgeiz auf der Bahn auch da, danach sind man wieder alle gute Freunde. D6M28 Das schieben und alles (...) Immer den gleichen Ablauf zu machen, immer die Hand gerade zu halten und alles, ist ziemlich schwer. D6/M32 Ist wie eine zweite Familie, so kann man das sagen. D6/ M12 (...) Ich sag immer: Wer hat schon mal für die deutsche Nationalmannschaft gespielt, und da gibt's ja auch nicht so viele. Atmo D1/M34 anfeuern bei den Männern, einer geht noch, Deutschland, klatschen bis 1'44 Autorin Sechs plus zwei Reservespieler sind es beim Kegeln. Wie beim Tischtennis profitiert die Mannschaft von den individuellen Stärken jedes Einzelnen. Nationalspieler Carsten Heisler vom amtierenden Championsleague-Sieger Bamberg. O-Ton Carsten Heisler D3M90 (...) Ich habe meinen Gegner, den muss ich zunächst mal schlagen, das ist das Ziel, um zunächst erst mal einen Punkt für meine Mannschaft zu sichern. Gewinnen kann ich aber trotzdem nur, (...) wenn da alle an einem Strang ziehen und die Mannschaft geschlossen spielt. O-Ton Daniela Kicker D1/M23 (...)Wenn die Kameradschaft oder das Team nicht funktioniert, dann kann man auch seine einzelnen Leistungen nicht abrufen, weil es auch sehr viel Konzentrationssache ist und wenn der Kopf nicht frei ist, dann klappt es hinten und vorne nicht. Atmo D4/ M17 AT anfeuern Holz jawohl, Tröte und Rassel, Holz, schön Sandra bis 045 Autorin Und da Kegler abgesehen von großen Endspielen fast nur unter sich sind, sind sie auch ihre eigenen Fans. Jeder feuert den anderen an. Meist geht es fair zu. Aber wenn viel auf dem Spiel steht, brennen schon mal die Sicherungen durch. Dann ist der Hauptschiedsrichter gefordert. Einer der Erfahrendsten ist der Österreicher Günter Honisch. O-Ton Günter Honisch D2/M77 (...) Ich hab's vor 2 Jahren in Augsburg erlebt, wo zwei Spieler fast zum Prügeln angefangen haben. Da sind wir zu zweit auch dazwischen gegangen und haben die Situation beruhigt und wir haben dann, nachdem sich beide Spieler beruhigt haben und entschuldigt haben, keine rote Karte gegeben. Atmo hochziehen D4/M19 AT anfeuern, Holz, Rasseln, Tröte, Holz, Stimmen Autorin Dass beim Kegeln die Fäuste flogen, war im England des 14. Jahrhunderts keine Seltenheit. In Pubs florierte das "Game of nine pins" als Wett- und Glücksspiel. Als es König Eduard III. zuviel wurde, stand darauf sogar die Todesstrafe. Erst Ende des 16. Jahrhunderts verlor das Spiel in Europa seinen schlechten Ruf und wurde wieder zugelassen. Es fehlte bald auf keinem Jahrmarkt, keinem Kirchweihfest und keiner Hochzeit. Kegeln war auch beim Hochadel und bei den Geistlichen beliebt. In vielen Klöstern stand der Kegel für das Böse und so hatte man dort wenigstens einen guten Grund, das so genannte "Heidenwerfen" zu spielen. Atmo D4/M9 Maschinerie sehr direkt und laut Autorin Eine beliebte Freizeitbeschäftigung ist das Kegeln noch heute. Ob zu Kindergeburtstagen, Betriebsfeiern oder mit Freunden: Wer hat nicht schon mal eine Kugel geschoben. Auch beim Kegel-König, einer Berliner Gaststätte, treffen sich jeden Abend Freizeitsportler. Seit sieben Jahren vermietet Wolfgang Schutsch vier Bahnen im Keller. Schon beim Anblick der Fassade weiß jeder, was hier gespielt wird. O-Ton Wolfgang Schutsch D7/M8 Das ist unser Kegelkönig. (...) in der einen Hand hat er die Kugel, in der anderen hat er die Weinflasche und sinniert so etwas: Soll ich nun Kegeln, oder soll ich lieber ein geselliges Schlückchen nehmen. Autorin Besser könnte man das Klischee von Wirtshauskegeln nicht bedienen. Wie viel Bier bei den Kegelfreunden so über den Tresen geht, darüber will er lieber nichts sagen. Aber sein ganz spezielles Keglergetränk, das will er nicht verheimlichen. O-Ton Wolfgang Schutsch D7/M16 Wir bieten hier an unseren Neuner, das ist ein kleines Fläschchen in Kegelform, da drin sind 4cl Wodka mit Feige, der hat den Namen Neuner (...) und den gibt's als Hauslage, (...) gibt's immer zwischendurch natürlich. Atmo D7/M19/M50 Autorin Im Keller von Wolfgang Schutsch kegelt eine größere Gruppe. Im Schnitt 60 Jahre alt. In Jeans und Turnschuhen macht jeder ein paar lockere Würfe. Ehemalige Arbeitskollegen, die sich regelmäßig auf der Kegelbahn treffen. Umfrage Kneipensportler D7/M22 Wir sind jeden vierten Dienstag hier, und dann eben in dieser Zusammensetzung seit langer, langer Zeit. D7/M36 Ich betreibe auch ganz anderen Sport noch, Squash und Joggen, das ist hier nur so nebenbei ein bisschen. D7/M24 Ich kegeln nur zum Spaß, zur Freude, zur Unterhaltung. D7/M23 (...) Man unterhält sich, man trinkt was zusammen und nachher Essen wir was zusammen. D7/M44 Ein bisschen Hobby, ein bisschen Freizeit, ein bisschen Sport D7/M38 Wenn man zwei oder drei Mal versäumt hat, man macht ja praktisch immer eine Kniebeuge wenn man die Kugel wirft, man hat doch in der anderen Hinternbacke schon Muskelkater dann nächsten Tag. D7/M49 Die Geselligkeit rangiert hier vor Ergebnis 1.,2., 3., obwohl wir auch das festhalten. D7/M30 Na ja wir kegeln ja für Geselligkeit und für Geselligkeit gehört für uns der Alkohol dazu. M27 Bei mir so dreieinhalb Halbe und ich kenne einige, die halten da gut mit. Und ein zwei Schnäpperkien, weil mal ein Geburtstag ist oder mal einer drei Neunen gekegelt hat. Atmo D7/M53 Auf unsere Kegeltruppe ein dreifaches gut Holz. Prost, zum Wohl Autorin Das Image vom Kneipensport und Bierkegeln hält sich hartnäckig. Und das wird sich wohl auch nie ändern, sehr zum Ärger der Spieler und des DKB-Präsidenten. O-Ton Dieter Prenzel D7/M82 Wir haben natürlich das Problem, (...) weil gleichzeitig immer eine Gastronomien an der Kegelhalle ist. Wenn Sie Fußball spielen gehen, dann spielen sie erst die 90 Minuten auf ihrem Platz, dann gehen Sie sich umziehen und dann gehen sie auch alle und trinken ihr Bier und sind lustig und fröhlich. Aber bei uns heißt es dann nach dem Spiel sofort, weil wir ja in Sportkleidung wohlmöglich noch in dem Gastronomiebereich stehen, na da wird ja nur gesoffen. O-Ton Monika Clausen D5/M33 Wir haben auch unsere Geselligkeit, so ist das nicht, aber erst mal steht das Kegeln im Vordergrund und wenn jetzt Meisterschaften sind, dann ist nichts mit groß Feiern oder hier ein Bierchen, da ein Bierchen oder so. Atmo D7/M53 Auf unsere Kegeltruppe ein dreifaches gut Holz. Prost, zum Wohl Autorin Während der Wettbewerbe herrscht striktes Alkoholverbot. Das ist auch gut so. Denn wer schon mal eine Kugel geschoben, weiß, dass es gar nicht so einfach ist, alle Neune zu treffen. Zumal Alkohol auf der Liste der Weltantidopingagentur WADA steht. Und diese gilt, so komisch es sich anhört, seit dem letzten Jahr auch für Spitzenkegler. Nationalspieler Carsten Heisler. O-Ton Carsten Heisler D3/M103 (...) Wir müssen jetzt genauso wie andere Spitzensportler (...) entsprechend Meldungen abgeben, wann wir uns wo aufhalten, müssen für jeden Tag auch eine Stunde angeben, wo wir uns an einem fest definierten Ort aufhalten um dort antreffbar zu sein. (...) Dass wir uns auch abmelden müssen, wenn wir mehr als 24 Stunden von unserem Wohnort entfernt sind. D3/M104 (...) aus meiner Sicht ist es übertrieben. (...) Wenn ich es eben mit anderen Sportarten vergleiche, (...) Radfahren, Biathlon, Leichtathletik, da geht's um Gelder, wo Athleten dopen. (...) Wir bringen sehr viel persönlichen Aufwand mit, Urlaub, Freizeit und da steht es aus meiner Sicht nicht in einem idealen Verhältnis. Autorin Und Kegler müssen mit den gleichen Konsequenzen rechnen wie Profisportler. O-Ton Marcus Gerdau D3/M106 (...) Bei mir ist es z.B. so gewesen, ich habe mal vergessen, mich abzumelden, (...) und da stand der Kontrolleur vor der Tür und hat mich nicht erreicht, da ich mich im Ausland aufgehalten habe und habe das einfach wirklich vergessen. Und das bedeutet, jetzt habe ich einen so genannten miss test und wenn ich 3 davon habe, wenn ich die angehäuft habe innerhalb von 18 Monaten, folgt schon eine Sperre. Und der letzte Test war letztes Jahr im Oktober, da war ich dann allerdings erreichbar. Atmo D3/M10 auf der Kegelbahn, mit etwas reden (bis 3:20) Autorin Spitzenkegler müssen zwar nicht so ein hartes Wochenpensum absolvieren, wie viele andere Leistungssportler. Sie trainieren aber immerhin drei bis vier Mal pro Woche. Für die Nationalmannschaft kommen im WM-Jahr regelmäßige Trainingslager mit Länderspielen hinzu. Und das, wo doch alle Amateure sind und arbeiten oder studieren. Ein Spieler geht sogar noch zur Schule. Da werden nicht nur viele Wochenenden geopfert, sondern auch viel Urlaub, erzählt Nationalspielerin Corinna Kastner, von Beruf Bauingenieurin. O-Ton Corinna Kastner D3M37 (...) Das ist auch nicht so einfach für alle. (...) Gerade bei unseren Herren, da sind einige dabei, da klappt es nicht so einfach, als Lehrer z.B., da kann man sich auch nicht immer frei nehmen, aber man muss halt schon mit seinem Arbeitgeber vereinbaren, dass man sich gelegentlich Urlaub mal nehmen kann. M38 Ich habe ganz tolle Chefs und die sind ganz stolz und die fiebern dann auch mit, und wenn ich bei der WM bin, dann schauen meine Arbeitskollegen auch täglich ins Internet und sind auch informiert, also ich habe wirklich Glück. Autorin "Kegeln und Bowling - eine umwerfende Sportart". So das Motto einer Kampagne, die der deutsche Verband letztes Jahr ins Leben gerufen hat. Der 9.9. wurde zum Tag des Kegelsports, der 10.10. zum Tag des Bowlingsports erklärt. In diesem Jahr wird die Werbetrommel noch kräftiger gerührt. Dieter Prenzel: O-Ton Dieter Prenzel M7/M86 (...) Denn wir wollen auch die unterste Ebene finden um Mitglieder zu gewinnen. Und werden vom 9.9. bis 10.10. in diesem Zeitraum alle Vereine, die in Deutschland bei uns leistungsmäßig orientiert sind oder Mitglied sind, auffordern, ebenfalls Veranstaltungen vor ihrer Haustür zu machen, um neue Mitglieder zu gewinnen. Denn das ist das Wichtigste. Autorin Zwar zählt der DKB mit rund 130.000 Mitgliedern zu den größeren deutschen Sportverbänden. Aber die Zahl ist rückläufig. Und das im Mutterland des Kegelns. Dort, wo das Spiel erstmals im Mittelalter in der Chronik der fränkischen Stadt Rothenburg ob der Tauber erwähnt wurde. Ende des 19.Jahrhunderts gründeten sich die ersten Spielgemeinschaften. Fast 125 Jahre später steht Leistungskegeln in Deutschland vor einer ungewissen Zukunft. Nationalspieler Oliver Scholler sieht die Vereine in der Pflicht. O-Ton Oliver Scholler D3/M82 (...) Wo ich ursprünglich herkomme, da waren früher, wo ich das Kegeln angefangen habe, 20, 25 Jugendliche und jetzt, wenn du auf die Bahn gehst, fünf, vielleicht mal sechs wenn man Glück hat und das ist auch das Problem in den Clubs, das die das Engagement nicht mehr aufbringen, um Jugendliche ranzuholen. Autorin Kegeln - nirgendwo sind die Gegensätze zwischen Leistungssport und Freizeitspaß größer. Während die einen in geselliger Runde bei einem Bierchen eine ruhige Kugel schieben, wollen die anderen abräumen, um Weltmeister zu werden. Denn für sie ist Kegeln mehr als nur ein Kneipensport. O-Ton Collage Kegler D3/M95 Es ist eine Leidenschaft. D3/M77 (...) Wer einmal gekegelt hat, der kann nicht mehr ohne. D5/M95 Man wächst halt rein mit der Zeit. Ich kann nicht einfach so damit aufhören, das geht nicht. D3/M15 Für mich war schon immer klar, dass ich Keglerin werden will und nicht Handballerin oder Fußballerin. D3/M50 Man ist mit Herz dabei. D3/M89 Kegeln ist ein Spot, der unheimlich viel Konzentration und Arbeit im Kopf erfordert, um eben diese Bewegung, die man da macht, den optimalen Anlauf oder Ablauf möglichst oft wiederholen zu können. D3/M23 (...) In dem Moment, wo ich mit dem Kegeln angefangen habe, habe ich jedem in meiner Jugend gesagt: Ich will mal Weltmeister werden. (...) und das hat dann tatsächlich 2004 geklappt. Das war dann natürlich göttlich für mich. D6/M61 Den Sport den man liebt, den lebt man auch, egal welche Sportart. Entweder machst du das richtig oder gar nicht, so einfach ist das. Anschlussmusik: Christian Becker, Titel: " 6 aus 49"/instr. von der CD "becker" (c) + (P) 2005 Roof Music 1