Hörspiel Feature Radiokunst Das Feature Merkel-Jahre Der unwahrscheinliche Weg der Angela M. Feature-Serie in sechs Teilen von Stephan Detjen und Tom Schimmeck (6/6) - Zeit der Brüche Regie: Tom Schimmeck Redaktion: Wolfgang Schiller Produktion: Deutschlandfunk 2021 Erstsendung: Dienstag, 03.08.2021, 19.15 Uhr Es sprachen: Annette Burchard und die Autoren Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Collage Demonstranten: "Merkel muss weg! Merkel muss weg! Merkel muss weg!" / "Hau ab! Hau ab! Hau ab! / Demo-Sprecher. "Wir wollen dazu beitragen, dass dieser unseligen Kanzlerin der ihr gebührende Empfang bereitet wird!" "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!" "Haut ab, Ihr macht Deutschland kaputt, ihr Schweine!" / Gauland "Wie in Ungarn, wie in Polen, wie in der Slowakei und in Österreich. Und wir sind jetzt auch dabei, und wir wehren uns gegen diesen multikulturellen Wahnsinn!" / "Da vorne sehr Ihr das ARD-Hauptstadtstudio, das Hauptquartier der deutschen Lügenpresse!" / Chorus: "Lügenpresse! Lügenpresse! Lügenpresse! Lügenpresse!" Merkel "Deutsche Gründlichkeit ist super, aber es wird jetzt deutsche Flexibilität gebraucht." Tagesschau "Auch heute haben wieder Tausende Flüchtlinge Deutschland erreicht. Die Bundespolizei..." Brok "Das war die Entscheidung, nicht die Leute im Dreck liegen zu lassen." Geflüchtete "Thank you Merkel! Thank you Merkel! Thank you Merkeeeel" ZDF-Schausten "Die AfD 13 Prozent" Jubelgebrüll, Gauland: "und liebe Freunde, diese Bundesregierung, die gebildet wird, wie immer sie aussieht, sie kann sich warm anziehen. Wir werden sie jagen! Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen!" Weidel "Und diese Bundeskanzlerin hat das zu verantworten! Keine Bundeskanzlerin hat das Land so gespalten wie diese Kanzlerin! Rufe, Applaus "Burkas, Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat nicht sichern!" Merkel "Ich muss ganz ehrlich sagen: wenn wir jetzt noch anfangen müssen uns entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land." D/S Ansage Merkeljahre Podcast-Serie von Stephan Detjen und Tom Schimmeck Folge 6: Zeit der Brüche Merkel "Meine Damen und Herren, ...Wir haben uns hier angesichts der Lage im Hinblick auf die Flüchtlinge kurzfristig getroffen." D Berlin, 15. September 2015 Merkel "Wir haben in den letzten Tagen in einer akuten Notsituation am Freitag der vergangenen... vorigen Freitag und dann noch eine Woche zurück eine Entscheidung getroffen, die als eine humanitäre Ausnahme ja auch bezeichnet wurde..." S Welches Deutschland hatte Angela Merkel an diesem Tag vor Augen? D Eine Antwort könnte ihre ersten Regierungserklärung bieten, abgegeben zehn Jahre zuvor, im Herbst 2005: Merkel "Und meine Damen und Herren, noch etwas spüren wir in diesen Stunden, etwas, das unser Land auszeichnet: Vor dem Leid anderer verschließen wir weder unsere Augen noch unsere Herzen. Wir wissen, was Solidarität vermag. Wir haben erfahren, welche Kraft aus der Gemeinschaft und aus der Nächstenliebe erwachsen kann. Wir sind uns bewusst, dass ein Volk mehr ist als eine lose Ansammlung von Individuen." S Und welches Deutschland will ihre Partei, die CDU? D Es ist die Partei, zu deren Identität es Jahrzehnte lang gehört hatte, das Land als ethnische Volksgemeinschaft zu definieren und zu schützen - gegen Migranten, Flüchtlinge, Einwanderer. Kohl "Die Bundesrepublik Deutschland ist kein Einwanderungsland und kann es auch nicht werden." S Die noch 1992, als in Deutschland mancherorts ein rechter Mob loszog, um sogenannten Fremden das Dach über dem Kopf anzuzünden, zusammen mit FDP und SPD das Grundrecht auf Asyl einschränkte. Schäuble (1992) "Unsere Bürger sind weder ausländerfeindlich noch wollen sie Extremisten nachlaufen. Aber sie erwarten von den in der Demokratie Verantwortlichen, daß als dringlich erkannte Probleme - so gut es geht - gelöst werden. Und haben sie damit denn so ganz unrecht?" Teufel "Wenn nicht die Zahl der Asylbewerber drastisch zurückgeführt wird, dann wird dieses demokratische Gemeinwesen aus den Fugen geraten!" D Nach dem Ende der Ära Kohl will eine rot-grüne Koalition das christdemokratische Dogma überwinden. Fischer "Also da muss man mehr als Tomaten, da muss man meines Erachtens Bierkrüge auf den Augen haben, damit man behaupten kann, wir wären kein Einwanderungsland." Bürger "Rot-Grün betreibt den Untergang unseres Volkes im Vielvölkerstaat." Koch "Es beginnt eine machtvolle Demonstration des Willens von Bürgern zu werden. Und genau das wollen wir organisieren." D 1999 mobilisieren Roland Koch und die hessische CDU im Landtagswahlkampf mit einer Unterschriftenkampagne gegen Pläne zur Einführung einer doppelten Staatsbürgerschaft. Bürger "Weil ich verhindern möchte, dass durch Mohammedaner eine Unterwanderung der christlich-abendländisch-humanistischen Kultur erfolgt." "Und die untergraben unseren Staat, irgendwann einmal." S Auf CDU-Versammlungen in hessischen Dörfern schlug mir fröhlich schunkelnder Fremdenhass entgegen. Bürgerin "Ich denke mir, Deutschland sollte doch nicht so jeden reinlassen." Reporter "Der Streit um das Staatsbürgerschaftsrecht ist das Thema des hessischen Landtagswahlkampfs geworden. D Stimmen aus einer ARD-Reportage. Bürger "Ich find das eine absolute Schweinerei, was hier läuft. Wenn das hier so viele Türken..." Bürgerin "Das sehe ich nicht ein. Entweder ich, ich bin das oder ich bin das. Fertig." D Angela Merkel ist zu diesem Zeitpunkt Generalsekretärin der CDU. S Und schlägt ganz andere Töne an als die Flüchtlingskanzlerin des Jahres 2015. Merkel "Diese Unterschriftenaktion - Ja zur Integration, Nein zur doppelten Staatsbürgerschaft - hat deutlich gemacht, dass man in Deutschland nicht Politik an den Menschen vorbei machen kann. Es ist uns gelungen, im Zusammenhang mit den Plänen der rot-grünen Bundesregierung die generelle doppelte Staatsbürgerschaft einzuführen, Millionen von Menschen zu mobilisieren gegen dieses Projekt." Merkel "Es geht einmal um Menschen, die uns brauchen und auf der anderen Seite geht es um Menschen, die wir brauchen. Merkel "Und dann muss man natürlich darüber sprechen, dass es den Missbrauch des Asylrechts gibt. Da muss man natürlich sagen, die Folge kann nur sein: Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung. Alles andere wird keine Akzeptanz in der Bevölkerung finden. Und deshalb kämpfen wir dafür, ganz hart und ganz entschieden." Merkel "Und natürlich war der Ansatz zu sagen: Jetzt machen wir hier mal Multikulti und Leben so nebeneinander her und freuen uns übereinander - dieser Ansatz ist gescheitert, absolut gescheitert." Lautsprecheransage "Ladies and Gentlemen, welcome in Munich. Please go tot he train just opposite..." Bürger "Ich wollte einfach die Flüchtlinge willkommen heißen... Bürger "...um zu zeigen, dass es nicht nur rechte Menschenfeinde gibt, sondern auch viele Leute in Deutschland, die die Flüchtlinge unterstützen wollen. Ja, dass wir uns freuen auf sie." Bürgerin "Ich bringe Decken und Kissen und Isomatten. Bei uns liegt es nur rum. Und es gibt viele Leute, die es dringender brauchen als wir." Geflüchteter "I am so tired. I am happy and tired at the same time." D August 2015. Ein anderes Deutschland. Bürgerin "Wir haben das halt gestern gesehen im Fernsehen. Und dann haben wir gleich gesagt: Irgendwie muss man den Leuten helfen. Bürgerin "Es hat mir keine Ruhe gelassen. Ich bin ich einfach gekommen. Und mit ein paar Leuten sammeln wir jetzt einfach die Sachen ein." Bürger "63.000 Ankünfte in München seit 31. August. Das ist eine Stadt wie Rosenheim, die verpflegt worden ist, die gescreent worden ist, gegenbenfalls mit Kleidung versorgt worden ist und wenn nötig auch mal ein Arm zum Trost umgelegt worden ist." Geflüchtete "One month, no see my mom. Every day cry. Ten days not sleep." Bürgerin "Ich hab' im Radio gehört, dass der Zug ankommt, und habe mich spontan entschieden, meinen Kühlschrank herzumachen und herzukommen." D/S Dialog: Warst Du auch am Bahnhof? S: ich ja. / D: Erinnerung an Berlin und Paris. Merkel "Ich werbe dafür, für meinen Weg Verbündete zu haben. Ich weiß, dass das für viele schwer ist, das viele auch Ängste haben, Sorgen haben, wie soll das enden? Ich weiß, dass wir dafür ganz hart arbeiten müssen. Aber ich habe die Zuversicht, und ich habe den Optimismus, dass das geschafft werden kann. Und das leitet mich." Merkel "Das Motiv indem wir an diese Dinge herangehen muss, muss sein: Wir haben so vieles geschafft. Wir schaffen das. Wir schaffen das. Und wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden. Und der Bund wird alles in seiner Macht Stehende tun, zusammen mit den Ländern zusammen mit den Kommunen genau das durchzusetzen." Mushaben "Also bei der Sommerpressekonferenz, da sind mir die Tränen hochgekommen." S Joyce Mushaben, Merkel-Biografin aus den USA. Mushaben "Was diese Frau alles aus dem Grundgesetz zitierte, warum die Deutschen Flüchtlinge und Asylsuchende unterstützen müssen. Weilsie mit jeder Krise, was dazugelernt hatte. Und sie war dazu in der Lage, die neuen Lernerfahrungen schon bei der nächsten Krise anzuwenden." Merkel "Stellen sie sich mal vor, wir würden jetzt alle miteinander erklären, wir schaffen es nicht. Und dann?" S Merkel und die Flucht- und Migrationskrise 2015. Ein kurzer Augenblick der Humanität, der ihr Bild - und das Bild Deutschlands in der Welt - nachhaltig verändern wird. D Die Vorgeschichte: Ein zähes Ringen um eine Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union. S Das bis heute andauert. Merkel "Dies ist nicht nur eine Verantwortung Deutschlands, dies ist eine Verantwortung aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Union." Schulz "Was jetzt sichtbar wird, ist, was passiert, wenn es kein Europa gibt. Wir erleben doch nichts als die Priorität nationaler Interessen: ‚Sankt Florian, du guter Mann, verschon mein Haus, zünd andere an.' Wenn das der Geist der Europäischen Gemeinschaft ist, dann gibt es keine gute Zukunft." S Martin Schulz, damals Präsident des Europäischen Parlaments. Zwei Jahre später wird er als Kanzlerkandidat gegen Merkel antreten. D Am späten Abend des 3. September entscheidet Merkel in Abstimmung mit Vizekanzler Gabriel, die aus Budapest Richtung Westen marschierenden Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Merkel "Versagt Europa in der Flüchtlingsfrage, geht diese enge Bindung mit den universellen Bürgerrechten kaputt, sie wird zerstört. Und es wird nicht das Europa sein, was wir uns vorstellen." S Es soll eine Ausnahme in einer humanitären Notlage sein. Doch immer mehr Menschen kommen. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann drängt darauf, den Zustrom zu stoppen. Hermann "Wir wollen Migration steuern und reduzieren." D Erst jetzt - eine Woche später - steht die Regierung vor der entscheidenden Frage. S Sollen die Grenzen geschlossen werden? D Wie ginge das überhaupt? S Rechtlich? D Notfalls mit Gewalt? Dobrindt "Ich kann mir jetzt nicht vorstellen, was es daran zu kritisieren gibt, wenn der Bundesinnenminister das gültige Recht an den Grenzen durchsetzt." De Maizière "Das haben wir gar nicht lange besprochen. Ich habe ihr vorgetragen, was dafür und was dagegen spricht." S erinnert sich Thomas s, damals Innenminister. De Maizière "Ich habe auch die Argumente, die für Zurückweisung sprechen, vorgetragen und die Gegenargumente. Und dann eben mitgeteilt, dass ich das in der von mir bestimmten Weise machen wollte. Und dann hat sie gesagt: ‚Ja, das ist richtig so.'" D In einer sonntäglichen Krisensitzung im Bundesinnenministerium erklären die Fachbeamten für Migrations- und Europarecht ihrem Minister: Eine Schließung der Grenzen und Zurückweisung von Flüchtlingen wäre nicht mit dem Dublin-Abkommen vereinbar und damit rechtswidrig. Juncker "Sie hat gesagt: ‚Wenn ich die Grenzen jetzt hier schließe, was passiert dann..." S Jean-Claude Juncker Juncker "...mit den Flüchtlingen, die jetzt schon in den ungarischen Bahnhöfen ausharren, und die in Österreich unterwegs sind?' Die Grenzen schließen zu Österreich hätte bedeutet: Ein riesiges Flüchtlingsdrama besonderer Art in Ungarn und Österreich. Dass die Österreicher und die Ungarn diese Geste eigentlich bewusst fehlinterpretiert haben, hat mich sehr gewundert. Aber mich hat nicht gewundert, dass Merkel so gehandelt hat, wie sie gehandelt hat. Nein, nein, nein. Diese humanitären Gründe waren nicht vorgeschoben, sondern waren die Antwort, die man der Flüchtlingskrise geben musste, wenn man sie vom Ende her betrachtet." Müntefering "Die ist nicht dumm. Die hat gewusst, dass das Ärger gibt hoch drei." D Franz Müntefering Müntefering "Aber das war - Respekt. Hab' ich immer gesagt: Das ist gut. Wenn man sich vorstellt, wir hätten das nicht gemacht, die wären da hängen geblieben. Deutschland steht heute nun unter der Überschrift - bei manchen, Orbans und bei manchen im eigenen Lande auch: Wir holen uns sowas an den Hals, sind natürlich völlig verrückt. Aber das war eine Großtat von ihr wo ich sage: Ja, das würde auch Sozialdemokraten gut zu Gesicht stehen." S In Berlin gibt es auch mächtige Widersacher: D Bundespolizeichef Dieter Roman hat bereits Polizeitruppen im Grenzgebiet versammelt. De Maizière und Merkel aber entscheiden: ein Einsatz von Wasserwerfern und bewaffneten Bundespolizisten gegen geflüchtete Familien mit Kindern kommt nicht in Frage. S Die Spitzen der Sicherheitsbehörden machen in vertraulichen Hintergrundgesprächen Stimmung gegen die Politik der Regierung. De Maizière "Der Chef der Bundespolizei und der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz waren der Meinung, dass Zurückweisung hier richtig gewesen wären." Filmszene "Ja richtig. Die Situation hat sich zugespitzt. Entscheidend wird sein: Wie kriegen wir den Zustrom bewältigt, für die Kommunen vor Ort, für die Polizei, für alle Beteiligten." Herr Minister, mit Verlaub. Wenn sie immer noch glauben, dass eine Situation wie diese in ihrer Unberechenbarkeit handhabbar bliebe, dann täuschen Sie sich." D Der ARD-Spielfilm "Die Getriebenen" rekonstruiert, wie die Chefs des Verfassungsschutzes, der Bundespolizei und des BKA rebellieren. Filmszene "Sie können mir aber glauben: Die Kanzlerin und ich werden ihre Anmerkungen hoch gewichten." "Dann folgen Sie dieser Gewichtung! Tun Sie das, was nicht ihrem politischen Willen entsprechend mag, aber sicherheitspolitisch zwingend geboten ist. Schließen Sie die Grenze! Führen Sie Grenzkontrollen durch! Andernfalls werden sie und die Kanzlerin sich möglicherweise in Zukunft sehr unangenehmen Fragen stellen müssen." "Meine Herren, vielen Dank für Ihre Zeit. Wir bleiben in Kontakt." De Maizière "Das waren sehr kurze Telefonate mit beiden Beteiligten, weil die Bundeskanzlerin sehr klar gesagt hat, dass sie nicht will, dass zurückgewiesen wird." Filmszene "Wir können das unmöglich mittragen." "Das werden wir auch nicht. Wir werden nach Recht und Gesetz handeln. Wir werden immer tun, was unser Amt von uns verlangt." S Hans Georg Maaßen wird 2018 aus seinem Geheimdienstjob entlassen. Heute kandidiert er als CDU-Direktkandidat für den Bundestag. Maaßen "Einfach sagen, wir sind in der Lage, die alle zu integrieren, da verkennt man die Realitäten. Die Realitäten sind anders. Und wer die Realität nicht als Realität wahrnimmt, ist nicht in der Lage, die Probleme zu lösen." D Erklärt Maaßen im ZDF. Maaßen "Der Hintergrund war gewesen, wie sie wissen, dass ich in den 70er Jahren in die Junge Union und danach in die CDU eingetreten bin. Und da hatte die CDU eine ganz andere Ausländerpolitik gehabt. Ich habe ja selbst an der Ausländerpolitik nach 1990 mitgewirkt, habe das Asylgrundgesetz mit geändert, Artikel 16 a." Seehofer "Das Problem besteht ja darin, dass eine Regel außer Kraft gesetzt wurde, aber kein Plan da ist, wie man diese Dinge jetzt bewältigen soll. Das ist das Problem. Es war ein Fehler." S Auch Horst Seehofer, Bayerischer Ministerpräsident und CSU-Chef, heizt im Sommer 2015 die Opposition gegen die Politik der Kanzlerin an. Seehofer "Wir sind der festen Überzeugung, dass diese große historische Aufgabe, die Integration von Flüchtlingen in unserem Land, das auch die Zustimmung der Bevölkerung nicht auf Dauer zu haben sind, wenn wir nicht zu einer Obergrenze für die Zuwanderung bei den Flüchtlingen kommen" Beifall D Der Streit um eine "Obergrenze" für die Aufnahme von Schutzsuchenden droht die Union zu sprengen. In der Bundestagsfraktion gärt es. Unterschriftenlisten kursieren. Fraktionschef Volker Kauder, Verteidiger des Merkel-Kurses, hat Mühe, seine Leute zusammen zu halten. Kauder "Mir ist nicht mehr zum Lachen zumute! Das geht so nicht weiter! Es geht nicht mehr so weiter! Die einen schreiben Briefe, die anderen drohen Briefe an. Also, was isch? Des geht so nicht! Wir sind hier nicht in einem Kasperletheater, sondern in einer der größten Bewährungsproben unseres Landes." S Anfang 2016 spricht Seehofer in einem Zeitungsinterview von einer "Herrschaft des Unrechts". D Die Kanzlerin habe das Recht gebrochen, wird behauptet. Teile der Union, konservative Staatsrechtler und manche Medien setzen Merkel auf die Anklagebank. S Die AfD macht sich das Argument begeistert zu eigen. Eben hat die Partei in Umfragen noch unter fünf Prozent gelegen. Der Zorn gegen Merkels Flüchtlingspolitik aber wird für die Rechten zum politischen Jungbrunnen. Weidel "Und über allem thront eine Kanzlerin, die in 15 viel zu langen Regierungsjahren den Rechtsbruch zum politischen Prinzip gemacht und unser Land in Europa zunehmend isoliert hat." D Das Vorwurf des Rechtsbruchs ist bis heute ein Leitmotiv der AfD. S Merkel versucht derweil, Flucht- und Migration nach Europa mit einem Netzwerk internationaler Abkommen einzudämmen. D Die Türkei als Schrankenwärter an der Außengrenze der EU. S Merkel entdeckt Afrika. Merkel "Das heißt, indem wir gemeinsam mit Ihnen für ihre Länder arbeiten, schaffen wir auch wieder mehr Sicherheit für uns." D Die Instrumente: Entwicklungsgelder, Militärhilfe, Partnerschaftsabkommen mit den Subsahara-Staaten. S Dazu die Verschärfung der Abschiebepraxis in Deutschland. Seehofer "Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 - das war von mir nicht so bestellt - Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden. Das liegt weit über dem, was bisher üblich war." S Ab 2017 sitzt Horst Seehofer als Innenminister an Merkels Kabinettstisch in Berlin. Und treibt den alten Konflikt um die Zurückweisung von Schutzsuchenden an den Grenzen auf die Spitze. Seehofer "Es geht um einen grundlegenden Dissens. Nämlich, dass wir diese nationale Lösung wollen, es sei denn europäisch kommt es zustande. Und die CDU - jedenfalls die Spitze - will offensichtlich diese nationale Lösung nicht." D Die Unionsparteien stehen im Sommer 2018 vor dem Bruch. S An der CSU-Basis brodelt es. In Berlin greift Merkel zum Nothammer: Merkel "Wenn die Maßnahme in Kraft gesetzt würde, dann würde ich sagen, ist das eine Frage der Richtlinienkompetenz." S Erst im Herbst 2018 dreht die CSU bei - in München gibt es Massendemonstrationen. D Ein Mitglied der CSU-Führung erzählt später, Markus Söder habe sich das angeschaut und gesehen, dass da Nonnen und Chefärzte mitlaufen, die Kernklientel seiner Partei. Söder habe das als sein politisches Nahtoderlebnis bezeichnet und das Steuer herumgerissen. Musik Somewhere over the rainbow D Zum Ende ihrer dritten Amtszeit überlegt Merkel, einen Strich zu ziehen. Merkel "Ich habe sprichwörtlich unendlich viel darüber nachgedacht. Die Entscheidung für eine vierte Kandidatur ist nach 11 Amtsjahren alles andere als trivial." Merkel "All das, was damit, ganz besonders jetzt nach den Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika, verbunden wird, wie es auf mich ankommt, das ehrt mich zwar, aber ich empfinde es auch sehr stark als grotesk und geradezu absurd. Merkel "Dann sind wir ja gleich bei 2025. Stellen Sie sich mal vor, das ist... führt uns. Man weiß ja auch nicht, ob Sie dann noch dabei sind. Also, insofern..." S Merkels Union kommt bei der Wahl im September 2017 nur auf knapp 33 Prozent. D Das schwächstes Ergebnis der CDU seit 1949. S Sie versucht, mit einem neuen Regierungsbündnis Schwung zu nehmen: Schwarz-gelb-grün. Doch diese "Jamaika"-Koalition scheitert. Lindner "Es hat sich gezeigt, dass die vier Gesprächspartner..." D An der FDP. Lindner "...keine gemeinsame Vorstellung von der Modernisierung unseres Landes und vor allen Dingen keine gemeinsame Vertrauensbasis entwickeln konnten." Steinmeier "Alle in den Bundestag gewählten politischen Parteien sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Sie dienen unserem Land. Ich erwarte von allen Gesprächsbereitschaft, um eine Regierungsbildung in absehbarer Zeit möglich zu machen." S Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier drängt die widerwilligen Sozialdemokraten noch einmal in den Dienst unter Merkel. D Die SPD regiert pflichtbewusst mit. Doch die Partei ist müde, verschleißt ihre Vorsitzende Andrea Nahles. S "Nikolaus ist GroKo aus", skandieren die Jusos D Eine EU-Ratspräsidentschaft steht an. S Der Laden muss laufen. Merkel (Spot) "Ich wurde nicht als Kanzlerin geboren" Merkel "Ja, damit weiche in einem ganz erheblichen Maße von meiner tiefen Überzeugung ab, dass Parteivorsitz und Kanzleramt in einer Hand sein sollten. Das ist ein Wagnis, keine Frage..." D Im Oktober 2018 kündigt Angela Merkel an, die Führung der CDU abzugeben. S Der Anfang vom Ende einer Ära. D Aus den eigenen Reihen kommen Abgesänge. Merz "Wir sind in einer ganz schwierigen Situation. Das hängt nach meinem Eindruck aber vor allem damit zusammen, dass sich seit vielen Jahren über dieses Land wie ein Nebelteppich die die Untätigkeit und die mangelnde Führung durch die Bundeskanzlerin legt." Merz "Es kann so nicht weitergehen." Tagesschau "Bundeskanzlerin Merkel hat nach einem erneuten Zitteranfall Zweifel an ihrer Arbeitsfähigkeit zurückgewiesen." Merkel "Mir geht gut, mir geht es sehr gut, und man muss sich keine Sorgen machen." D Bei Empfängen vor dem Kanzleramt und auf den letzten Reisen nach China und Südafrika sitzt Merkel auf einem Stuhl, während die Nationalhymnen gespielt werden. S Dann gibt es keine Besuche mehr. Merkel "Trotzdem fehlt mir so ein bisschen, dass ich zum Beispiel bei den Kabinettssitzungen jetzt nicht persönlich dabei sein kann, dass die Leute da nicht sehe." D Corona unterbricht das öffentliche Leben. 407 Szene, Telefonkonferenz 2020, immer wieder von Störungen unterbrochen. Merkel "Diese Maßnahmen... Mikrofon bitte an." "Entschuldigung. Hören Sie mich?" "Jetzt höre ich sie, ja." S Ganz am Ende wird Merkel noch einmal zur Krisenkanzlerin. Merkel "Das Virus ist eine demokratische Zumutung." D Und auch die CDU profitiert davon. ZDF Politbarometer (April 2020) "Kanzlerin Angela Merkel darf sich weiterhin über hohe Zustimmungswerte in unserer Top Ten der beliebtesten Politiker freuen ... Müller "Man hat Merkel ja oft vorgeworfen, dass sie so eine Art Moderatorin ist, die also nicht wirklich führt, sondern, wenn überhaupt, andere zusammenführt. Und Interessen vermittelt, auch Identitäten vermittelt." S Jan-Werner Müller, der Politikwissenschaftler aus Princeton, sagt: Die europäische Christdemokratie war eigentlich schon immer beseelt vom Ideal einer gesellschaftlichen Harmonie. Müller "Das wurde ja zum Teil sogar höchst-päpstlich vorgegeben: Die Sozialisten, die machen ständig Krawall und Konflikt zwischen Arbeitern und Kapitalisten. Wir glauben daran, dass die Gesellschaft immer noch harmonisch sein kann, dass auch Kapitalisten und Arbeiter zusammenarbeiten können. Die Gesellschaft ist wie ein Körper, wo jeder so seinen Platz hat. Das passt eigentlich schon ins Bild." Merkel "Und jetzt ist es an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Heute, in dieser Stunde, in diesem Moment, bin ich von einem einzigen, alles überragenden Gefühl erfüllt, von dem Gefühl der Dankbarkeit. Es war mir eine große Freude. Es war mir eine Ehre. Herzlichen Dank." Langer Applaus Musik Somewhere over... S Was wird Angela Merkel machen? D Sie wird keine Ämter mehr übernehmen. S Reisen? D Ja auf diesen Kanzlerreisen, hat man oft gespürt: Da will sie noch bei in Ruhe hin, Landschaften genießen, wandern, Kulturen verstehen. Ich erinnere mich an eine dieser langen Kanzlerreisen, wo man länger in der Luft ist als am Zielort. Es ging nach Chile. Wir sind über die Anden geflogen und Merkel schaute aus dem Fenster und hat gesagt: "Irgendwo da unten ist das berühmte Himmelsobservatorium mit Atacama-Wüste.' Sie war da fast wehmütig und sagte, ein Wissenschaftler habe ihr mal erzählt, wenn man von dort in den Nachthimmel schaut, dann hat man danach ein ganz anderes Empfinden für die Welt und den Menschen im großen Kosmos. Und wir haben Sie gefragt: "Warum machen Sie da jetzt nicht auf dem Rückweg für eine Nacht Station? Das könnten Sie als Kanzlerin gut machen." Und Merkel hat abgewunken und gesagt: "Nein, Nein, ich habe keine Zeit. Morgen ist Fraktionssitzung, da muss ich wieder in Berlin sein." Aber ich habe mir gedacht in dem Moment, da will die noch mal hin mit ihrem Mann. Irgendwo hat die in ihrem Nachtschränkchen einen Zettel, und da stehen solche Reiseziele drauf. Merkel "Nein, ich hab' noch nicht gebucht. Und es ist auch gerad nicht die Zeit danach, solche Reisen zu buchen. Ich bin voll beschäftigt mir der Ist-Zeit. Und ansonsten hab' ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich werde jetzt erstmal noch weiter arbeiten. Und dann wird sich was finden." D Und was macht sie dann? Merkel "Ich bin optimistisch, dass mir was einfällt." Merkel "...ich sitz ja noch hier, also geschafft hat mich eigentlich nichts, aber gefordert hat mich sicherlich vieles." S Wir haben unsere Gesprächspartner gefragt. Eppelmann "Wenn sie klug ist, noch möglichst viel ins Theater gehen, ins Kino gehen, verreisen gehen." S Rainer Eppelmann, ihr einstiger Chef beim Demokratischen Aufbruch Eppelmann "Die ist doch eine arme Sau. 16 Jahre lang eine arme Sau gewesen. Ich kann mich noch erinnern als wir mal so zehn Jahre oder 15 Jahre demokratischen Aufbruch mal so ein bisschen gefeiert haben. Da hat der Erhart Neubert Fotos noch so aus der Anfangszeit zusammengestellt gehabt. Und dann hab' ich einen Schreck gekriegt. Ich bilde mir ein, ich übertreibe jetzt sicher ein bisschen: Ich bin fünf Jahre älter geworden und Angela 20 Jahre älter geworden, vom Gesicht her. de Maiziere "Was diese Frau noch an Büchern liest, ist mir ein Rätsel. nachts oder so... de Maiziere "Die Musik gehört natürlich noch dazu. Die Musik und die Liebe teils mit ihrem Mann ist auch etwas wo sie vollständig drin versinken kann. S Thomas de Maizière. de Maiziere "Da ist einer der wenigen Punkte, wo wir echt unterschiedlicher Meinung sind. Sie liebt Wagner und ich mag Wagner überhaupt nicht. Da haben wir uns auch einmal drüber gestritten (lacht), wenn ich von Bach und Brahms geschwärmt habe und sie dann von Wagner schwärmte." D In Bayreuth wird man sie sehen. de Maiziere "...und ihre Datsche in der Uckermark. Sozusagen ihr Schutzraum." Musik Wagner, Lohengrin, Vorspiel zum 1. Akt. Merkel "...weil auch heute für mich eigentlich immer noch so eine Sehnsucht danach ist, bei allem, was ich tue, eine Verbundenheit zur Erde, zum Boden, zu ... irgendwie zu der Natur zu haben..." Maaß "Sie hat immer wieder die Wurzeln, also ihre Datsche. Wir, als unsere Kinder klein waren, das war 1994, da sind wir zusammen in ihrer Datsche. Da hat sich Kuchen gebacken für uns. hat für die Kinder da alles vorbereitet. Es war unglaublich. S Hans Christian Maaß, ihr Kollege zu Zeiten der letzten DDR-Regierung. Maaß "Es war ein ganz normales kleines Häuschen, so wie sich DDR-Bürger das machten, was eben innen eingerichtet war, wo man wenn man in Ost Berlin wohnte, am Wochenende raus fuhr, um mal die Füße lang zu machen." D Rückkehr nach Templin. Dorthin, wo unsere Spurensuche begann. Tabbert "Ja, mein Name ist Detlef Tabbert. Ich bin Bürgermeister der wunderschönen Stadt Templin, die er im Nordosten Brandenburgs." Tabbert "Also ich glaube, wir planen keine Merkel Museum. Weil, das würde gar nicht ihrer Mentalität entsprechen. Und die Frage überrascht mich von Ihnen. Das russische Staatsfernsehen war arg verwundert, dass an der Schule, wo Angela Merkel unterrichtet wurde, nicht ein großes, goldenes Schild dranstand. Die sagten: Wo Putin zur Schule ging, steht bestimmt ein 2 × 2 Meter Schild, groß vergoldet..." Schimmeck: "...von zwei Soldaten bewacht." "Das könnte sein. Das finde ich auch angenehm an Frau Merkel, dass sie eben recht bescheiden ist, bodenständig. Und mit einem Denkmal oder einem Schild würden wir hier keine Freude machen." Bull "Aber was da im Endeffekt da rausgekommen ist bei dieser ganzen Sache, das war nicht so richtig nach dem Geschmack der Fischer." S Acki Bull, der Fischer auf Rügen, der auf dem Foto aus Merkels erster Wahlkampagne 1990 zu sehen ist. Bull "Es geht alles den Bach runter. Hier haben früher wer weiß, wieviel Fischer mit ihren Familien, davon gelebt, von der Fischerei. Und jetzt mit einmal ist dieser ganze Berufszweig so gut wie weg." S Er schaut irgendwie traurig auf all seine Merkel-Andenken. Bull "Eberhard und ich waren nun die einzigsten, die noch immer mitkamen, und haben auch mit ihr Kaffee getrunken und alles. D Die Hütte, in der das ikonische Foto entstand, gibt es nicht mehr. Bull "Nee. Die wollte unser ehemaliger Bürgermeister so ein bisschen noch als Tradition, als Merkel-Schuppen lassen. Aber da hat nachher keiner mehr was bei gemacht. Fischer gab's ja in dem Sinne ja nicht mehr. Und da hat der Eigentümer das eben abgerissen." S Zusammen mit seinem Fischerboot hat er auch die Politik aufgesteckt. Bull "Ich war auch in der CDU, bin auch rausgegangen, weil... ja...ja." Bull "Man hat ja nicht gesehen, dass irgendwas zurückkam." Juncker "Aber ich hab' während der Flüchtlingskrise mir oft gedacht: Das ist doch eine tolle Frau. Sie ist eine tolle Frau." D Jean Claude Juncker, mit dem wir in Brüssel gesprochen haben. Juncker "Ich habe wirklich über die Parteigrenzen hinweg - weil Parteigrenzen spielen in Europa eine untergeordnete Rolle - das Gefühl, dass sie zu mehreren freundschaftliche Gefühle entwickelt hat, zu mir jedenfalls. Weil wir haben uns ja nicht nur über Politik unterhalten. Als meine Mutter starb, hat sie angerufen als mein Vater starb, hat sie angerufen. Als ihre Mutter starb habe ich mit ihr geredet, also über das Politische hinaus gab es und gibt es Beziehungen, über die zu reden in der Öffentlichkeit mir eigentlich nicht zusteht. Aber es sind herzliche Beziehungen die ich mit ihr hatte und habe." D Was bleibt von Angela Merkel und den Merkel-Jahren? Eppelmann "Naja, da kann ich mit einem Satz von mir antworten. So wie ich jetzt hier stehe. S Rainer Eppelmann, der DDR-Bürgerrechtler. Eppelmann "Ich hab' gewonnen. Ich hab' gewonnen. Und Angela Merkel hat am Stücke nun nicht die Revolution, das dürfte sie nicht behaupten, hat sie auch nie behauptet, aber dass daraus etwas halbwegs Vernünftiges wurde. Und dass dieses Deutschland zusammengekommen ist und wir, ohne dass wir nun alle abgesoffen sind, da gut mit dabei sind. Da hat sie mit dazu beigetragen." Schindhelm "Das Interessante an der Geschichte Merkel ist für mich, dass tatsächlich die Bundesrepublik gezeigt hat, dass Deutschland ein Land der Möglichkeiten ist." D Michael Schindhelm, der Jugendfreund aus der DDR-Akademie der Wissenschaften. Schindhelm "Dass jemand wie Merkel Bundeskanzlerin werden kann. Alleine das ist schon für sich genommen ein Symbol für die Qualität einer Gesellschaft." Polenz "Sie hinterlässt, in Anführungszeichen, zunächst einmal Merkel-Wählerinnen und Wähler." S Ruprecht Polenz, Merkels erster CDU-Generalsekretär Polenz "Und ob die einsam bleiben oder sich jemand anderem zuwenden oder bei der Union bleiben, das liegt jetzt auch sehr stark an der Union selbst." Thunberg "This is all wrong. People are suffering, people are dying, entire ecosystems are collapsing. " Collage Fridays-Jugend Hamburg Rednerin "Wie fühlt Ihr Euch, wenn ihr PolitikerInnen habt, die dieser Krise nicht mit guten Gesetzen begegnen, sondern sie viel mehr noch verschlimmern?" Rufe "Buh!" und "Scheiße!" D Sommer 2021. Demo von "Fridays für future" in Hamburg. Schimmeck: "Was denkst Du über Angela Merkel? Mädchen1 "Über Angela Merkel? Hej, warte. Willst Du was sagen, willst Du zuerst?" Junge 1 "Ja, also ich find', dass sie auf jeden Fall noch an der Klimapolitik arbeiten weiter muss." Mädchen 2 "Ist fragwürdig, nicht. Also, sie hat irgendwie Physik studiert und ist eigentlich wissenschaftlich die mit der Expertise, die verstehen müsste, was das Problem ist. Und dafür ist verdammt wenig passiert. So." Mädchen 3 "Also ich find auch, dass ziemlich wenig passiert ist." Junge 2 "Ich find' bei Angela Merkel ja erstaunlich, dass sie ja 2005 ein bisschen mit dem Image angekommen ist, so eine Klimakanzlerin zu sein. Und dann ist gar nichts passiert." Mädchen 2 "Und dafür hat sie den Job auch ganz schön lange ausgeübt, das so verdammt wenig passiert ist." Schimmeck: "Was hältst Du von Angela Merkel?" Junge 3 "Ich freu mich auf Baerbock." Junge 4 "Ich bin da raus. Ich sag' da nix." S Eine neue Generation zieht Bilanz. Mädchen 5 "Beeindruckende Frau, also: beeindruckendes Durchsetzungsvermögen - nicht immer ganz für die Themen, die ich teilen würde, aber..." Junge 6 "Sie hat viel Stabilität gebracht, aber nicht wirklich die Probleme ihrer Zeit erkannt." Mädchen 6 "Ich finde es schön, dass wir 16 Jahre eine Frau an der Spitze unseres Landes hatten." Junge 7 "Also schon Respekt vor der Person, aber die Politik hat sie ein bisschen schleifen lassen." Junge 8 "Sie ist gut im Dinge verwalten, aber nicht im Dinge ändern. Junge 7 "...nahezu alles schleifen lassen." Mädchen 8 "Also, ich finde, sie hat schon einiges ins Rollen gebracht, aber sie könnte noch vieles mehr beschleunigen, auch mit den Autos." Mädchen 9 "Ich finde auch, wir können noch mehr machen." A "Aber natürlich, man muss Schritt für Schritt machen und nicht alles auf einmal. Und wenn wir das jetzt alle durchziehen und die Zähne zusammenbeißen, schaffen wir das auch. Wenn wir jetzt alle zusammenhalten..." S Inhaltlich klingen die meisten eher enttäuscht. Und doch hört man bei vielen etwas durch wie: Gut, dass sie da war. Und kein Trump oder Orban. Mädchen 11 "Im Vergleich zu anderen Präsidenten von anderen Ländern finde ich sie sehr sympathisch und auch, was sie macht. Und ich glaube, es wird schwierig, wenn sie dieses Jahr abtritt." Mädchen 12 "Wenn man zum Beispiel Merkel einfach so global auch mit anderen vergleicht, ist sie doch noch relativ rational." Mädchen 13 "Ich bin geboren, als Merkel gerade Kanzlerin geworden ist. Das heißt: Ich kenne halt wirklich nichts anderes als Angela Merkel. War immer klar: Sie gehört zur CDU. Und die CDU ist nicht die Partei, die in meinem Haushalt so gewählt wurde. Aber trotzdem war klar, dass sie im Vergleich zu denen, die vorher da waren, eine deutliche Verbesserung war. Und deswegen war ich tatsächlich immer ganz glücklich, mit Angela Merkel aufgewachsen zu sein. Und es ist jetzt auch ein bisschen ein komisches Gefühl schon fast, dass sie jetzt weg ist. Also irgendwie, so ein bisschen weired." Musik Shirley Horn: Here's to life D Wie werden die Entscheidungen der Zukunft verhandelt, erstritten, erkämpft? S Wird sich die liberale Demokratie behaupten? Höcke "Die AfD ist die letzte evolutionäre, ist die letzte friedliche Chance für unser Vaterland. Höcke "Aber ich Bin überzeugt, dass diese Herrschaft des Unrechts und die Herrschaft der Angst nicht das Ende der deutschen Geschichte sein werden." D Welche Rolle wird China in der Welt spielen? Nachrichtensprecherin "Chinese President Xi Jinping has ordered the army to e ready to act at any second, stressing on fulltime combat readiness ..." Militärparade, Soldaten, Redeausschnitt Xi Jingping S Was ist die Zukunft Europas? Orban "We are Europe. And we do not have to meet the expectations of the tired and disillusioned elites..." Nachrichtensprecher "Prime minister Viktor Orban spoke for more than an hour, declaring the last decade the most successful in the past century. D Wer wird im nächsten Jahr die Wahlen in Frankreich gewinnen? Le Pen " Mme. Merkel, Mme. Merkel. Les choses sont très claires : Nous sommes en opposition totale. " S Marine Le Pen, Präsidentschaftskandidatin in Frankreich. Le Pen " Je suis l'anti Merkel. " Sprecherin Wir sind der totale Gegensatz. Ich bin die Anti-Merkel." Auszug DEFA-Film "Die Legende von Paul und Paula" "Ja, nun gut, dann sei froh. Du bist doch kein Kind mehr, Paula. Es gibt eben Dinge, die nicht gehen. Du kannst nicht alles haben. Wenn du was von Philosophie verstehen würdest, dann würde ich jetzt sagen: Ideal und Wirklichkeit gehen nie übereinander. Ein Rest bleibt immer." Absage Merkeljahre Podcast-Serie von Stephan Detjen und Tom Schimmeck Folge 6: Zeit der Brüche Es sprachen Annette Burchard und die Autoren Ton und Regie: Tom Schimmeck Redaktion: Wolfgang Schiller Merkel (Videokonferenz) "Dankeschön! Schöne Grüße, wo immer Sie auch sitzen - und uns hören." Eine Produktion des Deutschlandfunks 2021. HIER TITEL Seite 12 / 19 MERKELJAHRE Folge 6 Seite 2